POLITISCHE PHILOSOPHIE
Vernunft und Hybris: Rationalistisches Gesellschaftsmanagement als ideologisch-historische Konstante
, Justus-Liebig-Universität Gießen
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The urge to save humanity is almost always only a false-face for the urge to rule it. Power is what all messiahs really seek: not the chance to serve.
– Henry Louis Mencken, Minority Report
Niemand ist verpflichtet, eine geistige Krise der Gesellschaft mitzumachen; im Gegenteil, jedermann ist verpflichtet, diesen Unfug zu unterlassen und in Ordnung zu leben.
– Eric Voegelin, Wissenschaft, Politik und Gnosis
Einleitung
Im Folgenden wird der Versuch unternommen, eine historisch konstante ideologische Strömung als Ursache für die gegenwärtige umfassende Krise der öffentlichen Sphäre zu rekonstruieren. Mit „Krise“ sind dabei vor allem der kommunikationsethische Verfall im Sinne der fortgesetzten Missachtung demokratischer Prinzipien in der öffentlichen Kommunikation und der qualitative Einbruch in der kollektiven Wissensbildung1 gemeint. Die Analyse möglicher Ursachen dieser epistemischen Krise erfordert dabei sowohl eine situationsangemessene thematische wie auch eine diachrone Weitung des Blicks. Der Evolutionsbiologe Bret Weinstein bringt diese Notwendigkeit zum Ausdruck, wenn er sagt:
Wenn man eine dunkle Periode durchlebt – eine Ära, in der unsere Fähigkeit zur Sinnfindung, unsere öffentliche Wahrheitssuche, zu einem Rauschen verkommen ist, weil jede einzelne Institution, die man normalerweise für diese Aufgabe nutzen würde, von etwas vereinnahmt oder von etwas überzeugt wurde, das sie vollkommen dysfunktional gemacht hat – dann […] muss man bereit sein, eine breite Palette von Hypothesen in Betracht zu ziehen. […] Angesichts der überzeugenden Beweislage müssen wir für alle möglichen Erklärungen offen sein. (DH01)
Auf der Suche nach Ursachen für diesen Verfallsprozess soll im folgenden Beitrag anhand der Einlassungen gesellschaftlich, politisch und philosophisch einflussreicher Akteure und Geistarbeiter eine Denktradition nachgezeichnet werden, deren bestimmenden Elemente über verschiedene politische Ordnungen, ökonomische Systeme und technologische Entwicklungsstufen hinweg seit der Antike in ihren Grundzügen und Kernthemen stabil bleiben und in ihrer Reichweite bis zu den Fundamenten eines illiberalen und antidemokratischen Menschen- und Weltbildes reichen. Ihre Analyse als totalitäres, auf Kontrolle zielendes Gegenstück zum Ideal einer liberalen partizipativen Gesellschaftsordnung und Kommunikationsethik kann aus meiner Sicht einen wichtigen Beitrag zur Diagnose der aktuellen Situation leisten.
Nachfolgend sollen zunächst in einer ersten Annäherung anhand von zwei Schlüsseldokumenten der frühen Neuzeit wichtige Aspekte dieser widerstreitenden Konzeptionen illustriert werden. Im zweiten Abschnitt wird die Krise der gegenwärtigen demokratischen Kommunikationskultur auf der Folie antiker griechischer Demokratieprinzipien skizziert. Anschließend werden kurz die aus der Aufklärung hervorgegangenen moralphilosophischen und (abwesenden) metaphysischen Grundlagen sowie ihre Folgen für postrevolutionäre Gesellschaftskonzeptionen und das ihnen zugrunde liegende Menschenbild dargestellt. Im vierten Abschnitt folgt sodann eine Rückblende, in der Platons Politeia als antiker Vorläufer moderner totalitärer Gesellschaftskonzeptionen vorgestellt wird. In den Abschnitten 5 und 6 werden schließlich die vielfältigen Aspekte illiberalen totalitären Denkens in der Moderne und ihre gesellschaftliche Reichweite dokumentiert.
1. Zwei Schlüsseldokumente der Frühen Neuzeit
Im Jahr 1525 erblickt ein erstaunliches Dokument das Licht der Welt. Jene Zeit war geprägt von der durch den Buchdruck angestoßenen Medienrevolution, der damit verbundenen Reformation sowie Staatenbildungsprozessen, die sich im Kontext eines Übergangs von geistlicher zu weltlicher Herrschaft vollzogen. Vor diesem Hintergrund stellten die Aufrechterhaltung der sich ausdifferenzierenden Feudalgesellschaft und die daraus resultierende steigende Abgabenlast eine untragbare Belastung für die Bauern dar. Bei dem erwähnten Dokument handelt es sich um die Zwölf Artikel von Memmingen,2 in denen die Bauern während des Deutschen Bauernkrieges ihre Forderungen gegenüber dem Schwäbischen Bund formulierten. Im Zentrum der Forderungen der Bauern standen Menschen- und Freiheitsrechte, allen voran die Abschaffung der Leibeigenschaft sowie die Wiederherstellung gemeinschaftlicher Nutzungsrechte an zuvor durch „die Herrschaften“ (Artikel 5) auf „unbrüderliche“ Weise (Artikel 4) enteigneten Allmenden wie Wäldern und Gewässern für Jagd und Fischerei. An dem Dokument sind drei Aspekte bemerkenswert, die bereits zu jener vorbürgerlichen Zeit in Richtung einer zukünftigen liberalen Gesellschaftsordnung weisen:
i)
der hohe Stellenwert, welcher den gottgegebenen individuellen Freiheitsrechten und der Universalität der Menschenwürde zugemessen wird („Darumb erfindt sich mit der geschryfft das wir frey seyen und wöllen sein [...]“);
ii)
der besondere Status des geforderten Rechts auf freie Wahl und angemessene Repräsentation („Zum Ersten ist unser diemuettig bytt un beger/ auch unser aller will un maynung/ das wir nun fürohin gewalt und macht wöllen haben/ ain ganze gemain sol ain Pfarer selbs Erwoelen und kyesen. Auch gewalt haben denselbigen widerzuentsetzen/ wan er sich ungepürlich hieldt [...]“);
iii)
die Bereitschaft zur argumentativen und rechtsverbindlichen Auseinandersetzung über die Grundlagen dieser Forderungen („Zum zwelften ist unser beschluß un endtlyche maynug/ wann ainer oder mer Artickel alßhie gesteldt (So dem wort Gotes nit gemeß) weren/ als wir dan nit vermainen die selbigen artickel/ wo man uns mit dem wort Gots für unzimlich anzaigen/ wolt wyr daruon abston/ wan mans uns mit grundt der schrifft erklert [Herv. d. Verf.]“) (ZA01)
 
Ein radikal anderes Menschenbild und damit ein anderes frühneuzeitliches Verständnis der Grundlagen gesellschaftlicher Koordination finden wir im Kontrast dazu bei einem Vordenker der Aufklärung: Thomas Hobbes. Im Jahr 1651 wird Hobbes’ Leviathan veröffentlicht, es gilt als eines der bedeutendsten Werke der politischen Philosophie. Der Mensch im Naturzustand wird hier vorrangig nicht als freies, sondern als schutzloses Wesen aufgefasst, das – im Krieg Aller gegen Alle – seine Vernunft in erster Linie als Werkzeug einsetzt, um sein nacktes Überleben und seinen Besitz zu sichern. Die Übertragung seiner Souveränität an den schützenden allmächtigen Staat erscheint vor diesem Hintergrund wie ein Reflex seines Selbsterhaltungstriebs, die Vernunft hinter dieser Entscheidung ist eine rein instrumentelle. Gleiches gilt in dieser Perspektive für die Architekten der staatlichen Ordnung. Habermas (1978, 50) stellt fest, dass es unter diesen Bedingungen nicht mehr „des praktisch klugen Handelns von Menschen untereinander“ bedarf, sondern einer „korrekt berechneten Erzeugung von Regeln, Verhältnissen und Einrichtungen“:
[Deshalb kommt] das Verhalten der Menschen nur mehr als Material in Betracht. Die Ingenieure der richtigen Ordnung können von den Kategorien sittlichen Umgangs absehen und sich auf die Konstruktion der Umstände beschränken, unter denen die Menschen wie Naturobjekte zu einem kalkulierbaren Verhalten genötigt sind. Diese Loslösung der Politik von der Moral ersetzt die Anleitung zum guten und gerechten Leben durch die Ermöglichung des Wohllebens in einer richtig hergestellten Ordnung. (Habermas 1978, 50)
Diese Loslösung der Politik von der Moral und die Fixierung auf ein funktionierendes, auf Stabilität orientiertes Staatswesen, das störende Elemente mit allen Mitteln beseitigen muss, zeigt sich u.a. in Hobbes’ Empfehlung zum richtigen Umgang mit dem Phänomen der Hexenverfolgung. Für Hobbes als Mann der Rationalität und Empirie war klar, dass der Vorwurf der Zauberei in einer fundamental mechanischen Welt jeder Grundlage entbehren musste – die grausamen Praktiken der peinlichen Befragung und der Hexenverbrennung billigte er dennoch:
For, as for witches, I think not that their witchcraft is any reall power; but yet that they are justly punished, for the false belief they have that they can do much mischeife, joyned with their purpose to do it if they can, their trade being nearer to a new religion than to a craft or a science [Herv. d. Verf.]. (Hobbes 1991 [1651], 7f.)
Hobbes transformiert damit das vielfach herbeikonstruierte Verbrechen des Schadzaubers in eines der bloßen bösartigen Absicht der Beschuldigten. Bereits diese Absicht, vor allem aber das Festhalten an einer metaphysischen (und damit für Hobbes unwissenschaftlichen) Weltsicht, sollte nach seiner Auffassung bestraft werden mit dem Ziel, die Einhaltung bestehender sozialer Normen zu erzwingen.3 Um des staatsstabilisierenden Effekts willen war Hobbes bereit, Fragen der Wahrheit und Gerechtigkeit zu übergehen und zu ignorieren, dass der eigentliche Vorwurf unzutreffend war und die Geständnisse darüber hinaus unter Folter erpresst wurden.
Diese beiden Beispiele geben einen ersten Einblick in die Grundzüge zweier diametral entgegengesetzter Verständnisse von rationalem Handeln und seiner Bedeutung für die gesellschaftliche Ordnung. Während die Bauern in den Zwölf Artikeln eine vernünftige Begründung für die bestehende Rechtspraxis fordern (für unzimlich anzaigen, mit grundt der schrifft erklert) und sich dem Urteil, welches sich aus der Beratung ergebenden würde, fügen wollen (wolt wyr daruon abston), kommt für Hobbes Vernunft nur als Grundlage der Systemarchitektur und der Beurteilung von Disziplinierungsmaßnahmen durch die gesellschaftliche Elite ins Spiel, eine argumentative und damit rationale Auseinandersetzung mit den regierten Subjekten wird von ihm nicht in Erwägung gezogen. Die gleiche Haltung zu staatlicher und individueller Vernunft, wenn auch auf einem anderen philosophischen Fundament, finden wir beispielsweise auch bei Hegel, der knapp 200 Jahre nach Hobbes in §258 seiner Grundlinien der Philosophie des Rechts schreibt:
Der Staat ist als die Wirklichkeit des substantiellen Willens [...] das an und für sich Vernünftige. Diese substantielle Einheit ist absoluter unbewegter Selbstzweck [...] dieser Endzweck [hat] das größte Recht gegen die Einzelnen, deren höchste Pflicht es ist, Mitglieder des Staats zu sein. (Hegel 1986 [1832-1845], 399)
Nachfolgend sollen Stationen der Entwicklung der beiden skizzierten Denkschulen und ihrer konkurrierenden normativen Auffassungen zu Gebrauch und Stellenwert von Rationalität im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Organisation nachgezeichnet werden.
2. Demokratische Traditionen in der Krise
Hobbes’ Haltung widerspricht, ebenso wie jene Hegels, ganz grundlegend dem Selbstbild, das zum Grundstock gegenwärtiger demokratischer Gesellschaften gehört. In einem Seminar zum Thema „Sprache und Demokratie“ konnte ich kürzlich mit den Teilnehmern einleitend über den Menschen als politisches Wesen sprechen. Wir hatten zunächst sehr grundlegend überlegt, dass jede soziale Koordination auf die Vereinbarung von Regeln des Zusammenlebens angewiesen ist. Neben der Frage, welche Aspekte des gesellschaftlichen Lebens überhaupt geregelt werden können und müssen, hatte mich vor allem interessiert, welche gesellschaftlichen Gruppen an der Festlegung dieser Regeln beteiligt sein sollen. Sichtlich irritiert von der Frage antwortete eine Studentin daraufhin: „Na, im Idealfall wir alle!“ Diese Reaktion zeigt, dass heute zumindest noch eine Idee davon existiert, dass „wir alle“ aufgrund unserer Vernunftbegabung in der Lage sind und das (natürliche) Recht dazu haben, über die Regeln unseres Zusammenlebens zu bestimmen und dass dieses Ideal zumindest für manche gewissermaßen zum Common Sense der gesellschaftlichen Organisation gehört.
Diese Idee hat eine lange Tradition. In der Frühphase des Vormärz spricht Joseph Görres, Herausgeber des Rheinischen Merkur, von der entstandenen „öffentlichen Meynung“ und vom „Volk [das] Theil nimmt am gemeinen Wohle; [das] sich darüber zu verständigen sucht, was sich begiebt; [das] durch Thaten und Aufopferungen sich werth gemacht, in den öffentlichen Angelegenheiten Stimme und Einfluß zu gewinnen“ (Görres 1814). Diese Vorstellung war freilich weder zu jener Zeit noch um 1525 neu, wir finden sie bereits in der griechischen Antike. So sah man in der attischen Demokratie des 5. Jhd. v. Chr. auf der Grundlage einer allgemeinverbindlichen Rechtsordnung das Rederecht in der Volksversammlung für alle Athener als konstitutives Merkmal der Freiheit der Bürger und es galt ein Verbot der Ausgrenzung von Redebeiträgen. Politische Partizipation war darüber hinaus nicht nur ein allgemeines Recht,4 sondern sogar eine Pflicht und wesentlicher Bestandteil der eigenen kulturellen Identität. So heißt es etwa in Perikles’ Rede auf die Gefallenen bei Thukydides:
Wir vereinigen in uns die Sorge um unser Haus [und zugleich unsere] Stadt, und den verschiedenen Tätigkeiten zugewandt, ist doch auch in staatlichen Dingen keiner ohne Urteil. Denn einzig bei uns heißt einer, der daran gar keinen Teil nimmt, nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter, und nur wir entscheiden in den Staatsgeschäften selber oder denken sie doch richtig durch. Denn wir sehen nicht im Wort eine Gefahr fürs Tun, wohl aber darin, sich nicht durch Reden zuerst zu belehren, ehe man zur nötigen Tat schreitet. [Herv. d. Verf.] (Thukydides 2,40,2)
Dieses radikaldemokratische Bekenntnis zu einer breiten Partizipation in der politischen Entscheidungsfindung zeigt sich auch in dem Modus zur Vergabe von Ämtern. Jeder athenische Bürger wurde prinzipiell als befähigt angesehen, ein öffentliches Amt zu bekleiden. Die 700 Amtsträger wurden daher nicht aufgrund ihrer Herkunft, ihres Expertenstatus’ oder durch ein Auswahlverfahren, sondern per Los bestimmt, was den Athenern als Symbol für bürgerschaftliche Gleichheit galt. Das Bedürfnis nach Sicherheit, einer funktionierenden Infrastruktur und angemessener Ausübung des Amtes wurde durch volle Transparenz und strenge Kontrolle der Amtsträger sichergestellt.
Auch wenn die moderne Gesellschaft in ihrer Organisation, Ausdifferenzierung und Institutionalisierung als Staat komplexer geworden ist und das Politische den resul¬tieren¬den Machtdynamiken immer wieder aufs Neue abgerungen werden muss (vgl. Wolin 2019, 248f.; Nordmann 2020, 101f.), erweisen sich die attischen partizipativen Prinzipien im Gesellschaftsbild der Mehrheit, beispielsweise erkennbar in den oben erwähnten Common Sense-Annahmen der Studentin über ein Kernelement demokratischer Praxis, als erstaunlich beharrlich. Sichtbar werden sie auch im gegenwärtigen akademisch-philosophischen Diskurs, etwa wenn Habermas darauf hinweist, dass
der moralische Sinn der ,Richtigkeit‘ einer wohl begründeten Norm […] sich darin [erschöpft], dass diese Norm im Lichte guter Gründe allgemeine Anerkennung ,verdient‘ […] Die Richtigkeit von Normen [bezieht sich] auf die verpflichtende oder bindende Kraft von generalisierten Verhaltenserwartungen, welche auf die Zustimmung der möglichen Adressaten und Betroffenen rechnen dürften [...]. (Habermas 2016, 818)
Vor der sogenannten Corona-Krise (vgl. BP01) wurde diese geteilte Haltung zuletzt im größeren Maßstab deutlich bei den Demonstrationen gegen die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und später CETA, bei denen der absurde Grad der Geheimhaltung der Vertragsinhalte und der antidemokratische Charakter des Verfahrens thematisiert wurden und an denen in Deutschland bis zu 320.000 Menschen teilnahmen (DF01). Der badische Landesbischof Cornelius-Bundschuh forderte seinerzeit, „internationale Verträge müssten transparent verhandelt werden und den Schutz von Demokratie sowie Rechtsstaat gewährleisten“ (TS01).
Und dennoch steht es schlecht um die Demokratie und der Kampf um das Politische wird zunehmend mit ungleichen Mitteln geführt. Crouch spricht in diesem Zusammenhang bereits 2004 von einer „Post-Demokratie“ und stellt alarmiert fest:
Während die formalen Bestandteile der Demokratie in vollem Umfang erhalten bleiben – und heute in mancher Hinsicht sogar gestärkt werden – gleiten Politik und Regierung zunehmend in die Kontrolle privilegierter Eliten zurück, wie es für vordemokratische Zeiten charakteristisch war. (Crouch 2004, 6)
Wenige Jahre später beschreibt Mies (2020, 35) das derart charakterisierte System treffend als „Fassadendemokratie“ und Wolin (2015) warnt vor dem Aufziehen eines „invertierten Totalitarismus“ als Konsequenz einer Gesellschaftsorganisation, in der demokratische Partizipation zunehmend durch technokratisches Management ersetzt wird. Diese Einschätzung kann auch empirisch belegt werden. In ihrer groß angelegten Studie Elites, Interest Groups, and Average Citizens an der Princeton University kommen Gilens und Page zu dem ernüchternden Ergebnis:
Wenn man die Präferenzen der wirtschaftlichen Eliten und die Stände der organisierten Interessengruppen berücksichtigt, scheinen die Präferenzen des Durchschnittsamerikaners nur einen winzigen, gegen Null gehenden, statistisch nicht signifikanten Einfluss auf die öffentliche Politik zu haben. [...] Unsere Ergebnisse zeigen, dass in den Vereinigten Staaten die Mehrheit nicht regiert – zumindest nicht in dem kausalen Sinne, dass sie die Ergebnisse der Politik tatsächlich bestimmt. (Gilens/Page 2014, 575ff.)
Diese Entwicklungen passen nicht zum traditionellen Bild einer demokratisch verfassten Gesellschaft: Zu deren zentralen Merkmalen gehört auch heute (noch), dass jeder Bürger eine Stimme hat und gesellschaftliche Teilhabe, oder zumindest die prinzipielle Möglichkeit der politisch wirksamen Partizipation gegeben sind und diese von einem funktionierenden Staat nicht nur geschützt, sondern auch benötigt werden.
3. Materialistischer Utilitarismus als antidemokratische Triebfeder
Angesichts dieses bemerkenswerten und sich beschleunigenden Auseinanderdriftens von demokratischem Selbstverständnis und politischer Realität in den westlichen Gesellschaften drängt sich die Frage auf, ob es sich hierbei lediglich um ein emergentes Phänomen, gewissermaßen um einen gesellschaftlichen Unfall in Zeitlupe handelt. Während die oben diskutierten demokratischen Prinzipien zum jederzeit abrufbaren Kernbestand der gegenwärtigen politischen Bildung gehören,5 ist sowohl im gesellschaftlichen Bewusstsein als auch im hegemonialen Demokratiediskurs die Tatsache deutlich schwächer präsent, dass eine lange dominante Denktradition von der Antike bis in die Gegenwart existiert, die diesen Idealen nicht nur feindlich gegenübersteht, sondern aktiv deren Überwindung zum Ziel hat. Gemeint ist damit nicht ein konkretes politisches Programm und auch keine philosophische Schule, auch wenn Philosophen und Intellektuelle in unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen diese Ansichten zu allen Zeiten vertreten haben. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine grundsätzlich illiberale Haltung, die aus einem reduktionistischen Menschenbild und einer teleologischen Weltanschauung fließt. Ihre großen Linien können im Rahmen dieses Beitrags nur holzschnittartig umrissen werden.
Wichtigstes Element dieser ideengeschichtlichen Strömung ist die Annahme, dass die Mitglieder einer Gesellschaft aufgrund unterschiedlicher intrinsischer, meist intellektueller Qualitäten über unterschiedliche Rechte verfügen und auch unterschiedliche Aufgaben übernehmen müssen – das Prinzip der natürlichen Gleichheit aller Bürger und die mit ihr verbundenen Werte der Freiheit und der Selbstbestimmung werden hier als fundamental verfehlt angesehen. Über das Selbstbild dieser moralisch-intellektuellen Elite schreibt Thomas Sowell:
[D]ie Vision der Auserwählten [ist] nicht nur eine Vision der Welt und ihres Funktionierens in einem kausalen Sinn, sondern auch eine Vision ihrer selbst und ihrer moralischen Rolle in dieser Welt. Es ist eine Vision der differenzierten Rechtschaffenheit. Es ist keine Vision der Tragödie des menschlichen Daseins: Es gibt Probleme, weil andere nicht so weise oder so tugendhaft sind, wie die Auserwählten. (Sowell 1995, 5)
Den resultierenden Gegenentwurf zu gleichberechtigter demokratischer Partizipation finden wir dabei in Spielarten einer auf Grundlage einer szientistischen Managementideologie von Eliten gesteuerten Gesellschaft. Besonderen Stellenwert hat dabei die Idee der Gefahrenabwehr, wie Sowell weiter ausführt:
Trotz der großen Vielfalt an Themen in einer Reihe von Kreuzzügen der Intelligentsia während des 20. Jahrhunderts waren einige Schlüsselelemente den meisten von ihnen gemeinsam:
1. Die Behauptung einer großen Gefahr für die gesamte Gesellschaft, einer Gefahr, der sich die Masse der Menschen nicht bewusst ist.
2. Dringender Handlungsbedarf, um eine drohende Katastrophe abzuwenden.
3. Die Notwendigkeit für die Regierung, das gefährliche Verhalten der Vielen drastisch einzuschränken, als Reaktion auf die vorausschauenden Schlussfolgerungen der Wenigen.
4. Eine verächtliche Ablehnung gegenteiliger Argumente als entweder uninformiert, unverantwortlich oder von unwürdigen Absichten motiviert. (ibid.)
Die Legitimation des notwendigen Herrschaftsanspruches leitet sich einerseits aus einer angenommenen besonderen Fähigkeit der herrschenden Klasse (oder, bis diese gesellschaftliche Position erreicht ist: der revolutionären Avantgarde) zu rationalem Denken – bzw. in der Folge der Scientific Revolution zu ,wissenschaftlicher‘ Erkenntnis auf der Basis empirischer Daten – und andererseits aus einer materialistisch fundierten utilitaristischen Moralphilosophie ab, die jedoch häufig nur implizit vorausgesetzt wird. Metaphysisch begründete Seinsordnungen oder Moralvorstellungen werden als primitiv oder reaktionär abgelehnt. Prominente Beispiele hierfür sind Comtes Bemerkungen zu den „theologisch-metaphysischen Vorstellungen“ in der „Kindheitsperiode der Menschheit“ (1994 [1844], 24) oder bereits 1770 d’Holbachs Système de la Nature, in der religiöse Moralgrundlagen kategorisch abgelehnt werden:
Diese Verblendung zeigt sich auch in der Moral. Die Religion, die von jeher nur auf der Unwissenheit basierte und sich von der Einbildungskraft leiten ließ, gründete die Moral nicht auf die Natur des Menschen, auf seine Beziehungen zu anderen Menschen, auf die Pflichten, die sich notwendig aus diesen Beziehungen ergeben: sie errichtete die Moral lieber auf den imaginären Beziehungen, die zwischen dem Menschen und unsichtbaren Kräften bestehen sollen, die sie sich aufs Geratewohl ausgedacht hatte […]. (d’Holbach 1978 [1770], 275)
Die prototypische Utopie des in Abgrenzung zu metaphysischen Ordnungssystemen entworfenen wissenschaftlichen Humanismus’ besteht in der Ein- und Zurichtung einer ,nachhaltigen‘, auf die Berechnung und Zuteilung von Ressourcen6 fokussierten, technisch effizienten, post-politischen und gerade deshalb ,optimal funktionierenden‘ Gesellschaftsordnung, die auf der Grundlage wissenschaftlicher Prinzipien in einem kontrollierten Equilibrium gehalten wird.7 Zum Zweck der legitimatorischen Absicherung wird bereits seit der Antike dieses angestrebte Gleichgewicht neben der bereits erwähnten Gefahrenabwehr häufig mit einer ,gerechten Gesellschaft‘ (vgl. Platons Politeia), seit dem 18. Jahrhundert auch mit dem Topos sozialer Gerechtigkeit in Verbindung gebracht oder gar mit dieser gleichgesetzt. Von dort aus sind eine Reihe weiterer Formen der Gerechtigkeit als legitimatorische Grundlage der illiberalen Gesellschaftssteuerung entwickelt worden: Ökologische Gerechtigkeit (vgl. BP03), Geschlechtergerechtigkeit (vgl. UN01), Klimagerechtigkeit (vgl. Macquarie 2022), Impfgerechtigkeit (vgl. Privor-Dumm et al. 2023), Queer-Gerechtigkeit (vgl. SCSJ: „Social Justice is Queer Justice“, SC01; „Remarks by President Biden and First Lady Jill Biden at Pride Celebration“, WP01), um nur einige zu nennen.
Fast ein Jahrhundert vor der Entstehung der Technokratie-Bewegung in den 1930er Jahren8 finden wir diese Ideen bereits bei sozialistischen Vordenkern wie Auguste Comte, dem gleichzeitigen Mitbegründer der positivistischen Denkschule und der akademischen Disziplin der Soziologie, welcher in seiner von szientistischen Glaubenssätzen geprägten Rede über den Geist des Positivismus von 1844 beklagt,
daß die grundlegende Beziehung von Wissenschaft und Technik bisher notwendig selbst von den besten Geistern infolge der ungenügenden Ausdehnung der Naturwissenschaft, die den wichtigsten und schwierigsten, unmittelbar die menschliche Gesellschaft betreffenden Forschungsgebieten noch fern geblieben ist, nicht angemessen erfaßt werden konnte. In der Tat ist die rationale Auffassung von der Einwirkung des Menschen auf die Natur auf diese Weise wesentlich auf die anorganische Welt beschränkt geblieben, woraus sich ein allzu unvollkommener Anreiz für die Wissenschaft ergab. Wenn diese große Lücke einmal hinlänglich ausgefüllt sein wird, womit man heute beginnt, wird […] die Technik […] nicht mehr ausschließlich geometrisch, mechanisch oder chemisch usw. sein, sondern auch und in erster Linie politisch und moralisch. [Herv. d. Verf.] (Comte 1994 [1844], 32f.)
In der Anwendung einer solchen wissenschaftlich fundierten Sozialtechnik hat das Individuum mit seinen Bedürfnissen und Eigenheiten, mit seinen Wünschen, Überzeugungen und Vorstellungen keinen Platz mehr.9 Folgerichtig gibt es für den Comte’schen Positivismus
nicht den eigentlichen (individuellen) Menschen, sondern nur die Menschheit, denn unsere gesamte Entwicklung danken wir – unter welchem Gesichtspunkt man sie auch betrachten mag – der Gesellschaft. Wenn die Idee der Gesellschaft noch (immer) eine Abstraktion unseres Geistes zu sein scheint, so liegt das vor allem an der alten philosophischen Denkweise; denn in Wahrheit kommt der Idee des Individuums [...] diese Bezeichnung zu. (ibid., 80)
Wenn jedoch die Gesellschaft sich nicht als das Ergebnis individueller Perspektiven und ihrer politischen Aushandlung konstituiert, kann und muss in dieser kollektivistischen und positivistischen Perspektive ,die Wissenschaft‘ die Regie bei der Einrichtung des politischen und ökonomischen Lebens übernehmen. Diese radikale Abkehr von partizipativen Prinzipien ist umso bemerkenswerter, wenn man bedenkt, dass in Frankreich wenige Jahre zuvor mit spektakulärer Brutalität gegen die vormaligen Autoritäten die feudal-ständische durch eine ostentativ bürgerlich-liberale Gesellschaft ersetzt wurde. Walter Ulbricht bringt diese szientistische Überzeugung als einer der zahlreichen Erben des Comte’schen positivistischen Denkens zum Ausdruck, wenn er sagt:
Die Entwicklung des sozialistischen Systems, vor allem die Verwirklichung des Wirtschaftssystems als Ganzes, ist in zunehmendem Maße eine Frage der wissenschaftlichen Führung. [...] Wir orientieren uns an der bewussten wissenschaftlichen Steuerung komplexer Prozesse und Systeme durch den Menschen und für den Menschen. In diesem Sinne bedienen wir uns der Kybernetik. (Walter Ulbricht, 2. Mai 1968; zit. n. Brzezinski 1970, 170)
Hier wird offenbar, dass „durch den Menschen“ in keiner sinnvollen Interpretation wissenschaftliche Steuerung „durch alle Menschen“ meinen kann, sondern nur Führung durch eine wissenschaftliche Elite. Die Unterwerfung des Individuums unter das Diktum einer Expertenkaste und die Ausübung von Zwang ist in dieser technokratisch-kollektivistischen Perspektive zwingend notwendig und zugleich moralisch unbedenklich, da sie auf legitimierenden rationalen Grundsätzen beruht und dem nicht hinterfragbaren Fortschritt dient. Dies rechtfertigt auch die extrinsische Übersetzung der von ihnen geäußerten in die „wahren“ Interessen der geführten Klassen. Trotzki bringt diesen Gedanken 1920 in der Pravda klar zum Ausdruck:
Da der Sowjetstaat die Arbeit im Interesse der Arbeiter selbst organisiert, steht der Zwang in keiner Weise im Widerspruch zu den persönlichen Interessen des Arbeiters, sondern stimmt im Gegenteil völlig mit ihnen überein ¬– natürlich unter der Voraussetzung, dass die Arbeitskraft intelligent und wirtschaftlich eingesetzt wird. (On The Labour Army, Pravda, No. 63 (MX01))
Zu Comtes Weggefährten gehörte neben John Stuart Mill, der in einem Brief an Alexander Bain über Comtes Rede schrieb, „I think it very nearly the grandest work of the age“,10 auch Henri de Saint-Simon. In dessen Briefen eines Genfer Einwohners an seine Zeitgenossen (1803) finden wir neben einem unerschütterlichen Glauben an den Fortschritt und das Primat der Wissenschaft und der Kunst auch darauf aufbauende konkrete Pläne für ein gesellschaftliches Schichtenmodell und einen Führungsanspruch der Klasse der Intellektuellen:
Ich richte meine Ausführungen an verschiedene Teile der Menschheit, wobei ich drei Klassen unterscheide. Die erste, zu der Sie und ich die Ehre haben, zu gehören, marschiert unter dem Banner des menschlichen Fortschritts: Sie besteht aus den Wissenschaftlern, den Künstlern und allen Menschen mit liberalen Ideen. Auf dem Banner der zweiten Klasse steht „Keine Innovation“. Zur zweiten Klasse gehören alle Besitzenden, die nicht zur ersten Klasse gehören. Die dritte Klasse, die sich auf das Wort „Gleichheit“ beruft, umfasst den Rest der Menschheit. Zur ersten Klasse sage ich Folgendes [...] Ihr, die Wissenschaftler und Künstler [...] seid der Teil der Menschheit, der die größte intellektuelle Kraft besitzt und am besten geeignet ist, eine neue Idee zu erfassen. […] Lasst die Mathematiker, die an der Spitze stehen, den Anfang machen! Wissenschaftler und Künstler, untersucht mit dem Auge des Genies den gegenwärtigen Zustand des menschlichen Geistes. Ihr werdet erkennen, dass das Zepter der öffentlichen Meinung in euren Händen liegt; ergreift es also kühn. (Zit. n. Markham 1964, 2 [Übers. d. Verf.])
Die in den Briefen von Saint-Simon formulierte expertokratische Vision beschränkt sich jedoch nicht auf eine rein intellektuelle Vormachtstellung der Klasse der Wissenschaftler und Künstler im öffentlichen Diskurs. Er strebt für diese Klasse – und damit, wie so oft, für sich selbst – auch einen gehobenen gesellschaftlichen Status und eine vorübergehende11 materielle und damit politische Machtposition an:
Wenn ihr [meinen Plan] annehmt und beibehaltet, werdet ihr die beiden großen Waffen der Herrschaft – Ansehen und Reichtum – dauerhaft in die Hände der einundzwanzig aufgeklärtesten Männer legen. Die Folge wird aus vielen Gründen ein schneller Fortschritt in den Wissenschaften sein. Es ist eine Tatsache, dass mit jedem Fortschritt in den Wissenschaften die Entdeckungen leichter werden, so dass diejenigen, die wie ihr nur wenig Zeit für Bildung aufwenden können, mehr lernen können, und wenn ihr gebildeter werdet, werdet ihr die von den Reichen erlangte Vorherrschaft schmälern. Ihr werdet bald, meine Freunde, hervorragende Ergebnisse sehen. (Zit. n. Markham 1964, 8f. [Übers. d. Verf.])
Wenig später stellt Saint-Simon in Du système industriel fest: „Das Problem der sozialen Neuordnung muss für das Volk gelöst werden. Das Volk selbst ist passiv und apathisch und muss von jeder Betrachtung der Frage ausgeschlossen werden“ (zit. n. MacIver 1922, 240 [Übers. d. Verf.]).12 Es ist hier von besonderer Bedeutung, dass Saint-Simon offenbar keinen Widerspruch zwischen den „liberalen Ideen“ der Mitglieder seiner ersten Gesellschaftsschicht „unter dem Banner des menschlichen Fortschritts“ und dem kategorischen Ausschluss des „Volkes“ von politischer Mitwirkung aufgrund mangelnder Qualifikation sieht.
Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich bei dieser Haltung um eine geschichtliche Konstante des Progressivismus handelt, liefert Edward Pease, Sekretär der äußerst einflussreichen sozialistischen Fabian Society (u.a. geopolitisch: Lord Balfour, Royal Institute of International Affairs, Chatham House; akademisch: London School of Economics, Rhodes Trust; publizistisch: The Guardian; parteipolitisch: Gründung der britischen Labour-Partei; kulturell: George Bernard Shaw, H.G. Wells), in seiner History of the Fabian Society von 1916, in der er über die Rezeption Henry Georges Progress and Poverty schreibt:
[D]ie Saat, die Henry George ausstreute, schlug nicht in den Slums und Gassen unserer Städte Wurzeln – in der kränklichen, sonnenlosen Atmosphäre der Slums kann keine intellektuelle Saat keimen –, sondern in den Köpfen von Menschen, die über genügend Freizeit und Bildung verfügten, um an andere Dinge als den Broterwerb zu denken. (Pease 1916, 19)
Und auch Annie Besant, ebenfalls Mitglied der Fabian Society und spätere Präsidentin des Indian National Congress, vertritt in The Future Socialism diese Ansicht:
Ein demokratischer Sozialismus, der durch Mehrheitsentscheidungen gesteuert wird und sich an Zahlen orientiert, kann niemals erfolgreich sein; ein wahrhaft aristokratischer Sozialismus, der durch Pflicht und Weisheit gesteuert wird, ist der nächste Schritt aufwärts in der Zivilisation. (Besant 1912, 22)
Dieses elitäre Liberalismus- bzw. Fortschrittsverständnis steht in einem scharfen Gegensatz zu den Annahmen des klassischen Liberalismus über die unveräußerlichen Rechte des Individuums auf Freiheit und Selbstbestimmung, aus dem sich auch ein Recht auf Mitbestimmung ableitet.13 14
Die Orientierung an einem in vielen utilitaristischen Werken nahezu selbstevident erscheinenden und damit alternativlosen Gemeinwohl sowie die philosophischen Grundlagen seiner Bestimmung können dabei als maßgeblicher Faktor für den emergenten totalitären Charakter darauf aufbauender Ideologien und Gesellschaftssysteme gesehen werden. Auch Saint-Simon, dessen Werk einen großen Einfluss auf Marx ausübte, sieht die singuläre Aufgabe gesellschaftlicher Organisation darin, „für die größtmögliche Zahl von Menschen am vorteilhaftesten zu sein“ (zit. n. Markham 1964, 83; vgl. auch d’Holbach 1978 [1770], 272). Gegen diese Konzeption eines rational begründbaren selbstevidenten Gemeinwohls, bei dessen Bestimmung „das Volk […] von jeder Betrachtung der Frage ausgeschlossen werden [muss]“, wendet Schumpeter ein:
Der Versuch, die Menschen zu zwingen, etwas anzunehmen, das man für gut und großartig hält, das sie aber nicht wollen – auch wenn man erwartet, dass es ihnen gefällt, wenn sie die Ergebnisse sehen –, ist das Kennzeichen einer antidemokratischen Überzeugung. [...] Es gibt [...] kein eindeutig bestimmtes Gemeinwohl, auf das sich alle Menschen einigen oder durch die Kraft rationaler Argumente zu einer Einigung gebracht werden könnten. Das liegt nicht in erster Linie daran, dass manche Menschen etwas anderes wollen als das Gemeinwohl, sondern an der viel grundlegenderen Tatsache, dass das Gemeinwohl für verschiedene Individuen und Gruppen zwangsläufig unterschiedliche Dinge bedeutet. Diese Tatsache, die dem Utilitaristen durch seinen verengten Blick auf die Welt der menschlichen Wertvorstellungen verborgen bleibt, wird in Grundsatzfragen zu Konflikten führen, die durch rationale Argumente nicht beigelegt werden können, weil die letztendlichen Werte – unsere Vorstellungen davon, wie das Leben und die Gesellschaft sein sollten – jenseits der Reichweite der bloßen Logik liegen. (Schumpeter 2003 [1943], 237ff.)
Jeremy Bentham, Zeitgenosse von Saint-Simon und Comte, gilt als der Begründer des modernen Utilitarismus. Ein kurzer Blick auf seinen empiristischen Entwurf einer gemeinwohlorientierten Moral- und Rechtsphilosophie, der bereits einige Jahre vor der französischen Revolution veröffentlicht wurde, kann den totalitären Kern dieser auf den ersten Blick menschenfreundlichen Moralphilosophie veranschaulichen. Bentham geht in seiner Introduction to the Principals of Morals and Legislation von der materialistischen Annahme aus, dass das menschliche Leben ausschließlich von zwei Grundkonstanten bestimmt sei, nämlich dem Streben nach Lust und der Vermeidung von Schmerz. Diese beiden sind nach Benthams Auffassung die einzigen „souveränen Gebieter“, die in ethischer und praktischer Hinsicht handlungsleitend sind:
Ihnen allein obliegt es, uns zu zeigen, was wir tun sollten, und zu bestimmen, was wir tun werden. An ihren Thron ist einerseits der Maßstab für richtig und falsch, andererseits die Verbindung von Ursachen und Wirkungen gekettet. (Bentham 2000 [1781], 14)
Die moralische Bewertung menschlichen Handelns ergibt sich demnach einzig und allein aus ihren Konsequenzen für das so definierte quantifizierbare ,Glück‘ einer anonymen Mehrheit. Bentham bemerkt hierzu:
VI. Man kann also sagen, dass eine Handlung dem Prinzip der Nützlichkeit oder, der Kürze halber, der Nützlichkeit [utility] entspricht (d.h. in Bezug auf die Allgemeinheit), wenn die Tendenz, die sie hat, das Glück der Allgemeinheit zu vergrößern, größer ist als diejenige, die sie hat, es zu vermindern.15 [...]
X. Von einer Handlung, die dem Prinzip der Nützlichkeit entspricht, kann man immer entweder sagen, dass sie eine ist, die getan werden sollte, oder wenigstens, dass sie nicht eine ist, die nicht getan werden sollte. Man kann auch sagen, dass es richtig ist, dass es getan werden sollte, oder zumindest, dass es nicht falsch ist, dass es getan werden sollte; dass es eine richtige Handlung ist, oder zumindest, dass es keine falsche Handlung ist. Wenn man sie so auslegt, haben die Worte sollen, richtig und falsch und andere dieser Art eine Bedeutung; wenn nicht, haben sie keine. (Bentham 2000 [1781], 15f.)
Die nachfolgenden Abschnitte XII bis XIV des Kapitels zum Principle of Utility verwendet Bentham darauf, zu zeigen, dass es gegen sein Argument keinen rationalen Einwand, beispielsweise auf der Grundlage individueller Erfahrungen oder metaphysisch begründeter Wertvorstellungen, geben könne (vgl. Bentham 2000 [1781], 16f.), der totalitäre Charakter seiner Moralphilosophie wird bereits auf diesen ersten Seiten deutlich.
Privilegien und Aufgaben der hier skizzierten gesellschaftlichen und intellektuellen Eliten leiten sich in ihrer Selbstwahrnehmung also aus ihrer exquisiten Rationalität sowie aus der Verantwortung für das utilitaristisch definierte Wohl der Gesellschaft ab. Die Rede ist hier wohlgemerkt nicht vom Wohl der gegenwärtig existierenden, sondern einer fiktiven zukünftigen Gesellschaft. Auf dem beschwerlichen Weg nach Utopia sind ihnen, so ihre Vorstellung, die Verwaltung und Formung des Lebens vom Schicksal anvertraut. Lifton gibt in Thought Reform and the Psychology of Totalism16 eine präzise Beschreibung des Selbstbildes dieser Elite und ihrer Perspektive auf ihre Mitmenschen:
Ideologische Totalisten [werden] von einer besonderen Art von Mystik angetrieben, die […] Manipulation nicht nur rechtfertigt, sondern sie sogar zwingend erforderlich macht. Zu dieser Mystik gehört das Gefühl, ein „höheres Ziel“ zu verfolgen, ein „unmittelbares Gesetz der gesellschaftlichen Entwicklung“ erkannt zu haben und selbst die Wächter dieser Entwicklung zu sein. Indem sie so zu Instrumenten ihrer eigenen Mystik werden, schaffen sie eine Aura um die manipulierenden Institutionen – die Partei, die Regierung, die Organisation. Sie sind die (von der Geschichte, von Gott oder einer anderen übernatürlichen Kraft) „Auserwählten“, die den „mystischen Imperativ“ ausführen, dessen Verfolgung alle Erwägungen des Anstands oder des unmittelbaren menschlichen Wohlergehens überflüssig macht. (Lifton 1989, 422)
Auffassungen darüber, welche Aspekte des gesellschaftlichen und persönlichen Lebens durch sie kontrolliert werden sollen und welche Mittel hierfür zulässig sind, gehen dabei historisch in vielen Fällen weit über Fragen der Geheimhaltung oder der Beschneidung von Mitspracherechten hinaus und reichen von Lüge, Propaganda, psychologischer Manipulation und der externen Steuerung intimster Lebensbereiche bis hin zur Kontrolle des Körpers und schließlich des Rechts auf Leben selbst. Es sind eben diese ideologisch begründeten Ansprüche, die auch heute einen entscheidenden Beitrag zum oben diskutierten Verfall der demokratischen Kommunikationskultur leisten. Im Folgenden sollen die Entstehung und Stationen der Geschichte dieser Ideologie skizziert werden.
4. Rückblende: Platons Politeia
Eine fundamentale Abneigung gegen die Demokratie und den Willen zur totalitären Gesellschaftsführung finden wir bereits bei Platon. In seinem 375 v. Chr. verfassten Dialog Politeia kritisiert er die Demokratie vor allem für ihr ungezügeltes Verlangen nach Freiheit:
Wenn eine demokratische Stadt nach Freiheit dürstet [...] und sich über den Durst am ungemischten Wein der Freiheit berauscht, dann wird sie ihre Regierenden bestrafen, wenn diese nicht ganz nachgiebig sind und ihr in reichem Maß Freiheit gewähren, indem sie sie als verbrecherisch und oligarchisch beschuldigt [... Das Gewähren von Freiheit]17 macht die Seele der Bürger empfindlich, so daß sie, wenn ihnen jemand auch nur ein wenig Zwang antut, unwillig werden und das nicht ertragen können. (563b)
Um dieses Problem zu umgehen, entwirft Platon auf der Suche nach der Natur der Gerechtigkeit des Menschen ein ideales Staatswesen als anschauliches Vergleichsobjekt. Sein Staatsmodell wurzelt in den angenommenen Bedürfnissen und Konsumwünschen der Bürger der „opulenten“ (im Kontrast zur frugalen) Stadt und wird vordergründig im dialogischen Verfahren entwickelt. Sokrates wandelt sich im Gespräch mit Platons Halbbrüdern Glaukon und Adeimantos sowie einigen anderen jedoch zu Beginn des zweiten Buchs vom fragenden Philosophen zum erleuchteten Lehrer. Er eröffnet die Diskussion zunächst mit Überlegungen zu den notwendigen Gütern des täglichen Lebens wie Nahrung, Kleidung und Wohnung und geht von dort über zu den weitergehenden Wünschen der Bürger nach Wohlstand und Kultur, etwa in den Bereichen Dichtung, Theater oder auch den kulinarischen Genüssen. Dabei wird die scheinbar zwingende Orientierung an einer nicht näher begründeten Effizienzmaxime vorausgesetzt, mit der aufgrund der unterschiedlichen angeborenen Begabungen der Menschen eine moralische Verpflichtung zu Arbeitsteilung und Spezialisierung begründet wird. Diese Überlegungen münden schließlich in einer stratifizierten Gesellschaft, in der drei distinkte Klassen von Bürgern ihre jeweils eigenen Aufgaben erfüllen sollen und dabei über unterschiedliche Privilegien verfügen.
Die erste Klasse und gleichzeitig die breite Basis der gesellschaftlichen Pyramide bilden bei Platon die Arbeiter, zu denen die Bauern, das produzierende Gewerbe, Handel und Logistik sowie die Tagelöhner gehören. Ausgehend von der Überlegung, wie die anfallende Arbeit möglichst effizient („reichlicher und schöner und leichter“) erledigt werden könne, spielt neben der Arbeitsteilung vor allem der Gedanke eine wichtige Rolle, „dass [...] keiner von uns von Natur ganz gleich ist wie der andere, sondern dass jeder verschiedene Anlagen hat, der eine zu dieser, der andere zu jener Betätigung“ (370b). In diesem Zusammenhang wird bereits zum ersten Mal erkennbar, dass der Platonische Bürger sein Existenzrecht nicht seinem Schöpfer oder seiner unveräußerlichen Menschenwürde verdankt, sondern seiner Verwertbarkeit im Produk¬tionsprozess, wenn es etwa über die Lohnarbeiter heißt: „Nach ihrem Verstand verdienen sie zwar kaum, in die Gemeinschaft aufgenommen zu werden; doch macht sie ihre Körperkraft für schwere Arbeiten geeignet“18 (370e). Es ergibt sich hieraus eine Verpflichtung zur Arbeit gemäß den angeborenen Anlagen. Die Mitglieder der Arbeiterklasse sind dadurch nicht wie bei Perikles als freie Bürger „den Tätigkeiten zugewandt“, sondern auf diese Tätigkeiten und ihren Nutzwert reduziert. Auch steht ihnen die Berufswahl nicht frei, denn „[wir haben] dem Schuster verboten, sich gleichzeitig als Bauer oder Weber oder Baumeister zu versuchen [...] Und einem jeden [...] haben wir [...] eine Aufgabe zugeteilt, nämlich die, zu der er von Natur veranlagt ist und die er sein ganzes Leben hindurch – unter Verzicht auf die übrigen – erfüllen soll [...]“ (374c).
Die zweite Klasse der Wächter entsteht in der Politeia als Folge des expandierenden Konsums in der Stadt, welcher in Sokrates’ Argumentation den Krieg zur Eroberung von neuem Land sowie die Verteidigung der eigenen Landesgrenzen erforderlich macht. Im Gegensatz zu den Arbeitern widmet sich Platon in großem Detail der Auswahl, Erziehung, Führung und sozialen Organisation dieser Klasse. Zunächst muss wie bei den Arbeitern die gesellschaftliche Position des Wächters streng auf der Grundlage der natürlichen Begabung und Eignung besetzt werden. Auch hierbei handelt es sich nicht um eine autonome Entscheidung der Bürger, dieses Privileg fällt den Philosophen zu: „Es wäre nun also offenbar unsere Aufgabe [...] die Naturen auszuwählen, die zur Bewachung der Stadt geeignet sind“ (375a). Hieran schließt sich eine ausführliche Diskussion über die sachdienliche Erziehung der Wächter an. Der erste Bildungsaspekt, der von den Philosophen kontrolliert werden muss, sind – analog zur Kindererziehung – die Geschichten, welche die Wächter hören dürfen, damit sie in ihrer „Seele [nicht] Meinungen aufnehmen, die [...] ganz anders sind als die, die wir bei ihnen erwarten müssen“ (377b). Platon lässt Sokrates daraus schließen:
[Wir müssen] offenbar zuerst die Mythendichter beaufsichtigen; ist das, was sie erzählen, gut, dann nehmen wir es an; im anderen Falle müssen wir es ablehnen. Und dann werden wir veranlassen, daß die Ammen und Mütter die Geschichten, die wir gebilligt haben, ihren Kindern erzählen und damit ihre Seelen weit mehr bilden als die Leiber mit ihren Händen. Von denen jedoch, die sie heute erzählen, müssen wir die meisten ausschließen. (377c)
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang zunächst, dass sich die Notwendigkeit der Zensur in der Erziehung auch auf (potenziell) wahre Begebenheiten erstreckt, womit das moderne Konzept der malinformation19 vorweggenommen wird. Noch erstaunlicher ist jedoch die Idee, wahre aber gefährliche Informationen zwar der Allgemeinheit vorzuenthalten, sie aber, sofern es nötig ist, sehr wohl mit ausgewählten wohlhabenden Bürgern in geheimgesellschaftlichen Zusammenkünften zu besprechen:
Was Kronos getan und was er von seinen Söhnen erlitten hat, das, meine ich, sollte man, auch wenn es wahr wäre, nicht so leichthin vor unverständigen [...] Leuten erzählen, sondern man sollte es am besten verschweigen. Ist es aber doch nötig, davon zu reden, dann sollte man das heimlich vor möglichst wenig Zuhörern tun, und zuerst opfern, und zwar nicht nur ein Schwein, sondern ein großes und schwer erschwingliches Opfer, damit möglichst wenige in den Fall kommen, das zu hören.20 (378a)
Ergänzt werden diese Überlegungen zu Geheimhaltung und Zensur durch produktive Aspekte des Narrativmanagements, etwa wenn Sokrates Erziehende dazu auffordert, Streit zwischen den Göttern zu verschweigen und „von Anfang an den Kindern eher in diesem Sinne ihre Geschichten [zu] erzählen“. Er stellt zudem fest: „[M]an muss auch die Dichter nötigen, ihre Sagen in ähnlicher Art zu gestalten“ (379b). Ähnliches gilt für Geschichten über Hades und seine Schrecken: Um den Wächtern im Krieg die Angst vor dem Tod zu nehmen, soll Hades in der Dichtung stattdessen gelobt werden, und damit das auch geschieht, „[müssen wir] also offenbar auch die überwachen, die von diesen Mythen erzählen wollen“ (386b).
Als noch grundlegender in dieser Hinsicht kann die „Edle Lüge“ gesehen werden, die Platon seinen Sokrates im dritten Buch verteidigen lässt. Es geht hierbei um zwei kontrafaktische Gründungsmythen, die den Bürgern erzählt werden sollen, um eine spezifische Kultur einzurichten und so die Regierbarkeit der Stadt sicherzustellen:
Wir haben vorhin gesagt, daß es notwendige Täuschungen gibt, fuhr ich fort. Was könnte uns nun dazu verhelfen, eine edle Täuschung dieser Art vor allem den Regenten selber glaubhaft zu machen, oder wenn nicht ihnen, dann doch dem übrigen Volk? [… Eine Geschichte,] die sich […] nicht zu unserer Zeit zugetragen hat und sich auch schwerlich zutragen könnte – die glaubhaft zu machen […] einer großen Überredungskunst bedarf. (414b)
Über diese Mythen sollen zwei Glaubenssätze und damit verbundene Werte bei den Bürgern etabliert werden, nämlich, dass sie (i) die Erde als ihre gemeinsame Mutter und (deshalb) ihre Mitbürger als ihre Familienmitglieder betrachten und (ii) den ihnen durch Geburt und natürliche Anlagen zugewiesenen Status und ihre Rolle in der Gesellschaft ohne Widerstand akzeptieren.21 Dass es sich hier aus kommunikationsethischer Perspektive um eine manipulative Lüge und damit um eine Form der Propaganda handelt, wird im Text von Sokrates selbst und auch von Platon-Apologeten freimütig zugegeben. Alan Bloom bemerkt etwa im Vorwort der zweiten Ausgabe seiner Übersetzung dazu:
Diese ganze Frage der Lüge hat Platon von Anfang an sorgfältig vorbereitet. [Er sagt] unverblümt […], dass die einzige wirklich gerechte Zivilgesellschaft auf einer Lüge beruhen muss. Sokrates zieht es vor, sich der Frage mit Klarheit zu stellen. Ein gutes Regime kann nicht auf Aufklärung beruhen; wenn es keine Lüge gibt, müssen eine Reihe von Kompromissen – unter anderem das Privateigentum – eingegangen […] werden. Das ist eine radikale Aussage über das Verhältnis von Wahrheit und Gerechtigkeit, die zu dem Paradoxon führt, dass Weisheit nur in einem Element herrschen kann, das von der Lüge beherrscht wird. […] Und vielleicht wird das eigentümlich moderne Phänomen der Propaganda demjenigen klarer, der sieht, dass es mit einem Mythos der Aufklärung zusammenhängt, der durch die platonische Analyse selbst in Frage gestellt wird. [Herv. d. Verf.] (Bloom 1991, xviii)
Im fünften Buch behandelt Platon schließlich Fragen der zwischengeschlechtlichen Beziehungen und der Familienorganisation. In einem ersten Schritt argumentiert Sokrates mit einigem Aufwand dafür, dass Frauen ebenso wie Männer – diesmal trotz der verschiedenen Naturen – das Wächteramt übernehmen sollen. Aus der Form ihrer gemeinsamen Ausbildung und Unterbringung resultiere weiterhin, dass den Wächtern kein privates Eigentum erlaubt sei, dass „sie nichts zu eigen besitzen als ihren Leib, während alles übrige gemeinsam ist“ (464e). Da die Wächter unter allen Bürgern die besten seien (457b), sollen nur diese (aus scheinbar selbstevidenten Gründen) untereinander auch zwischengeschlechtliche Verbindungen eingehen dürfen.
An dieser Stelle beginnt Platon einen direkten Angriff auf die Einheit der Familie und bezieht in die Kontrolle über das Leben der Wächter rassistische und eugenische Überlegungen mit ein. Zunächst fordert er, dass „alle diese Frauen diesen Männern allen gemeinsam gehören sollen, und daß keine mit einem allein zusammenleben darf. Auch die Kinder sollen gemeinsam sein; kein Vater darf sein Kind und kein Kind seinen Vater kennen“ (457c). Damit all das gelingen kann, dürfen die Regenten nicht zulassen, dass sich die Wächter „ungeordnet [...] vermischen“ (458e). Stattdessen werden sie im Rahmen von eigens hierfür veranstalteten Zeremonien jene „heiligen Vermählungen“ anordnen, die „den größten Segen stiften.“ Platon erläutert diesen größten Segen am Beispiel der Zucht von Jagdhunden. Die Tiere seien zwar schon von „edler Rasse“, doch komme es darauf an, die besten Exemplare miteinander zu paaren: „Und wenn die Fortpflanzung nicht auf diese Weise geregelt wird, bist du doch auch der Ansicht, daß der Schlag [...] der Hunde bedeutend schlechter wird?“ (459d). Hieraus ergibt sich, so Sokrates, dass
die besten Männer den besten Frauen möglichst oft beiwohnen müssen, dagegen die schlechtesten Männer den schlechtesten Frauen möglichst selten. Und die Kinder der einen muss man aufziehen, die der anderen aber nicht,22 wenn die Herde auf möglichst hohem Stande bleiben soll. (459e)
Damit die Zahl und ,Qualität‘ der Vereinigungen sowie die Anonymität der Nachkommenschaft unter die altruistische Kontrolle der Philosophen kommen, sieht Sokrates ein geschickt manipuliertes Verlosungsregime vor, damit der „Minderwertige bei jeder Vermählung die Schuld beim Schicksal und nicht bei den Regenten sucht“. Wie bei der „Edlen Lüge“ gibt es auch hier eine utilitaristische Rechtfertigung für den Betrug: „Wahrscheinlich werden unsere Regenten ausgiebigen Gebrauch von Unwahrheit und Täuschung machen müssen, zum Wohle der Regierten. Sagten wir doch, daß alles dergleichen nützlich ist, wenn man es auf diese Art, eben als Heilmittel, gebraucht“ (459d). Ein letzter Aspekt, der spätestens ab der frühen Neuzeit immer wieder die Phantasie der Eliten anregen wird, besteht in der quantitativen Bevölkerungskontrolle: „Die Zahl der Vereinigungen aber werden wir von den Regenten bestimmen lassen, damit möglichst die gleiche Zahl der Bürger beibehalten bleibt, unter Berücksichtigung der Kriege und Seuchen und aller ähnlichen Fälle, damit unsere Stadt nach Möglichkeit weder zu groß noch zu klein wird.“ Die Erziehung der Kinder in der Familie ist, wie bereits erwähnt, unerwünscht und unter diesen Umständen ohnehin unmöglich. Wenn also Kinder zur Welt kommen (und aufgrund ihrer ,Qualität‘ am Leben gelassen werden), „so übernimmt sie die dazu bestellte Behörde“23 (460c). Soweit Platons Pläne für die Lebensführung der Wächterklasse. Weitere Sonderbarkeiten, wie etwa ein Stilldienst für die Säuglinge der Wächter (vgl. 461a) sowie die angeordnete Zwangsprostitution zur Belohnung von Kriegshelden (vgl. 460b, 468b) erscheinen vor diesem monströsen Hintergrund kaum noch der Erwähnung wert.
Der dritten Schicht der Philosophenkönige schließlich (der Platon natürlich ebenso selbst angehört wie später etwa Saint-Simon oder Comte der Klasse der Wissenschaftler24 angehören werden) fällt aufgrund ihrer Rationalität und ihres exklusiven Zugangs zu den Formen – und damit in der Platonischen Lehre zur Realität selbst (vgl. siebentes Buch) – letztlich keine geringere Aufgabe zu als die Rettung der Welt. In der Praxis bedeutet dies die Berufung zum Gesellschaftsmanagement auf der Grundlage rationaler Planung. Selbstredend leitet sich aus dieser gigantischen Aufgabe auch ein absoluter Machtanspruch ab:
Wenn nicht […] die Philosophen Könige werden [...] und wenn dies nicht in eines zusammenfällt: die Macht in der Stadt und die Philosophie, und all die vielen Naturen, die heute ausschließlich nach dem einen oder dem anderen streben, gewaltsam davon ausgeschlossen werden, so wird es, mein lieber Glaukon, mit dem Elend kein Ende haben, nicht für die Städte und auch nicht, meine ich, für das menschliche Geschlecht. (473d)
Es ist gerade dieser letzte Gedanke, der insbesondere in der politischen Philosophie des 20. und 21. Jahrhunderts immer wieder auftaucht. Im Folgenden soll dies an ausgewählten Beispielen dokumentiert werden.
5. Nachhaltigkeit und Bevölkerungskontrolle
Die in den vorangegangenen Abschnitten skizzierte Elitenideologie und die ihr immanente illiberale Kommunikationsethik kann zwar als eine Ursache der gegenwärtigen gesellschaftsweiten epistemischen Krise gesehen werden. Wie im letzten Abschnitt zu sehen war, beschränkt sich der Managementanspruch der Expertenklasse jedoch nicht auf Fragen der kollektiven Wissenskonstitution. Vielmehr kann das Streben nach Kontrolle über das geteilte Wissen als Ausschnitt eines größeren Kontrollbedürfnisses verstanden werden, das auch die physisch-biologische Domäne und letztlich das Leben selbst umfasst. Im folgenden Abschnitt soll dies beispielhaft für die Bereiche der Bevölkerungskontrolle und der Eugenik dokumentiert werden.
5.1 Das Gespenst der Überbevölkerung
Wie in Platons Politeia deutlich wurde, spielt für die utopische Zurichtung der Gesellschaft auch die ,richtige‘ Bevölkerungszahl eine wichtige Rolle. Der entscheidende neuzeitliche Impuls für diesen Planungsaspekt stammt von Thomas Malthus, einem Ökonomen der britischen East India Company. Malthus vertrat 1798 zum ersten Mal die These, dass die Bevölkerungszahlen stets zu einem geometrischen Wachstum, die landwirtschaftlichen Ressourcen jedoch zu einem arithmetischen Wachstum tendieren, was zu einer vorhersehbaren Lebensmittelkrise führen müsse. Er war der Auffassung, dass Sozialingenieure diese Krisen nutzen müssten, um die Größe der „menschliche Herde“ wissenschaftlich zu verwalten. Dabei geht es Malthus auf offensichtliche Weise nicht darum, die Sterblichkeit in der Bevölkerung zu reduzieren, sondern durch eine Begünstigung der ,richtigen‘ Todesursachen die Kontrolle über die Bevölkerung zu behalten. In der 2. Ausgabe von 1803 seines Essay On The Principle Of Population erläutert Malthus:
Eheschließungen und Geburten hängen hauptsächlich von den Todesfällen ab, und [...] es gibt keine größere Ermutigung für frühe Ehen als eine hohe Sterblichkeit. Wir sollten den Gang der Natur bei der Hervorbringung dieser Sterblichkeit unterstützen, anstatt uns törichterweise und vergeblich zu bemühen, sie zu behindern; und wenn wir die zu häufige Heimsuchung durch die schreckliche Form des Hungers fürchten, sollten wir die anderen Formen der Zerstörung, die wir der Natur aufzwingen, eifrig fördern. In unseren Städten sollten wir die Straßen enger machen, mehr Menschen in die Häuser drängen und die Rückkehr der Pest fördern. [...] Ein Volk, das von ständiger Not getrieben wird und immer wieder von Hungersnöten heimgesucht wird, kann nur durch einen grausamen Despotismus niedergehalten werden. (Malthus 2018 [1803], 407f.)
Basierend auf diesen Annahmen machte Malthus auch der Politik konkrete Vorschläge, die später vom Britischen Weltreich aufgegriffen wurden:
Ich schlage eine Regelung vor, die besagt, dass kein Kind, das aus einer Ehe hervorgeht, die nach Ablauf eines Jahres nach dem Datum des Gesetzes geschlossen wurde, und kein uneheliches Kind, das zwei Jahre nach demselben Datum geboren wurde, jemals Anspruch auf Unterstützung durch die Gemeinde haben sollte [...] Der Säugling ist, vergleichsweise gesprochen, von geringem Wert für die Gesellschaft, da andere sofort seinen Platz einnehmen werden. (ibid., 423)
Die Umsetzung von Malthus’ „Wissenschaft“ der Bevölkerungssteuerung in der Form der Armengesetze von 1838 sorgten dafür, dass für die Masse der verarmten Bevölkerung keine über die Arbeitshäuser hinausgehende staatliche Unterstützung bereitgestellt wurde. Zwischen 1845 und 1851 führten etwa die Aufhebung der Maisgesetze und die irische „Kartoffel-Hungersnot“ dazu, dass eine Million Iren verhungerten, während Nahrungsmittel unter militärischer Bewachung exportiert wurden (IH01).
Dieser malthusianische Blick auf das Leben, die Gesellschaft und die Freiheit des Individuums hat breite Strömungen der politischen Ideengeschichte stark beeinflusst, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem führende Vertreter des britischen Sozialismus. Im nachfolgenden Abschnitt zur Eugenik finden sich hierfür weitere Belege, an dieser Stelle soll stellvertretend der britische Philosoph und Mathematiker Bertrand Russell, Mitglied der Fabian Society, zitiert werden, der für sein Werk 1950 den Literaturnobelpreis erhielt. In The Effects Of Science On Society schreibt Russell zum Thema der Bevölkerungskontrolle:
Was ist die unvermeidliche Folge, wenn die Bevölkerungszunahme nicht eingedämmt wird? Es muss zu einer allgemeinen Senkung des Lebensstandards in den jetzt wohlhabenden Ländern kommen. [...] Am Ende wird es eine Einheitlichkeit des Elends geben, und das malthusianische Gesetz wird ungehindert herrschen. (Russell 1968 [1953], 102)
Die Lösung dieses Problems liegt auch für Russell in der staatlichen Kontrolle der Bevölkerungsgröße:
Die Nationen, die sich gegenwärtig schnell vermehren, sollten ermutigt werden, die Methoden zu übernehmen, mit denen im Westen das Bevölkerungswachstum eingedämmt wurde. Die erzieherische Propaganda könnte mit Hilfe der Regierung dieses Ergebnis innerhalb einer Generation erreichen. (ibid., 103)
Da Russell die auf solche Weise organisierte Geburtenkontrolle als probates Mittel vorzieht, kommen andere Verfahren, wie Malthus sie noch bevorzugt hatte, für ihn nur als zweitbeste Lösung in Betracht:
Ich behaupte nicht, dass die Geburtenkontrolle die einzige Möglichkeit ist, um die Bevölkerungszunahme zu verhindern. Es gibt andere Möglichkeiten, welche Gegner der Geburtenkontrolle wohl vorziehen würden. Der Krieg [...] hat sich in dieser Hinsicht bisher als enttäuschend erwiesen, aber vielleicht erweist sich der bakteriologische Krieg als wirksamer. Wenn es gelänge, einmal in jeder Generation einen Schwarzen Tod über die Welt zu bringen, könnten sich die Überlebenden ungehindert vermehren, ohne dass die Welt zu voll würde. (ibid.)
Nachdem zunächst Hungersnöte (Malthus) und die Gefahr von Verteilungskriegen (Russell) zur Legitimation der Bevölkerungskontrolle ins Feld geführt wurden, kam mit der von der Rockefeller Foundation unterstützten Ökologiebewegung der späten 60er Jahre eine neue, diesmal globale Bedrohung ins Spiel. Bedeutende Publikationen jener Zeit waren Bücher wie The Limits to Growth des Club of Rome, The Unfinished Agenda des Rockefeller Brothers Fund oder The Population Bomb von Paul Ehrlich, von dem in seiner 19. Auflage 1988 bereits mehr als zwei Million Exemplare in Umlauf gebracht worden waren. In Ehrlichs Population, Resources, Environment (1970)25 heißt es:
Die Größe der menschlichen Bevölkerung muss unter rationale Kontrolle gebracht werden [...] Um eine Bevölkerungskontrolle zu erreichen, müssen außergewöhnliche Veränderungen in den menschlichen Einstellungen stattfinden – Einstellungen, die durch Äonen biologischer und kultureller Evolution entstanden sind. Diese Veränderungen werden bei den Menschen unweigerlich auf Widerstand stoßen; die Kontrolle des Todes geht ihnen leicht von der Hand, aber die Geburtenkontrolle geht ihnen gegen den Strich. Die Ansichten der Menschen über Geburtenkontrolle und Familiengröße so zu ändern, dass sie mit dem Ziel einer besseren Zukunft für die gesamte Menschheit übereinstimmen, ist eine der größten Herausforderungen, denen sich die Menschheit je gestellt hat. (Ehrlich 1972 [1970], 273)
Die hier anvisierte systematische Veränderung der Einstellungen in der Bevölkerung zum Thema der Fortpflanzung und Geburtenkontrolle – eine Veränderung welche „bei den Menschen unweigerlich auf Widerstand stoßen“ wird – ist auf deliberativem Wege demokratisch organisierter Kommunikation nicht zu erreichen. Sie setzt, wie Russell bemerkt, Strategien der erzieherischen Propaganda voraus. Elemente solcher Strategien sind unter anderem die Eskalation der Versicherheitlichungsrhetorik (vgl. Broecker 2022) durch die Konstruktion immer neuer Bedrohungsszenarien sowie die darauf aufbauende Erzeugung von Feindbildern. Während in Ehrlichs Version die Menschheit zumindest in abstracto noch Nutznießer der Gefahrenabwehr sein soll, ist sie 1991 – ein Jahr vor der „Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung“ in Rio unter der Führung von Maurice Strong, einem engen Freund von David Rockefeller – bereits zum Feind mutiert, wie King und Schneider, Autoren des Club of Rome, in The First Global Revolution schreiben:
Auf der Suche nach einem neuen Feind, der uns vereinen könnte, kamen wir auf die Idee, dass Umweltverschmutzung, die drohende globale Erwärmung, Wasserknappheit, Hungersnöte und Ähnliches dazu passen würden. In ihrer Gesamtheit und in ihren Wechselwirkungen stellen diese Phänomene tatsächlich eine gemeinsame Bedrohung dar, die die Solidarität26 aller Völker erfordert. Aber wenn wir sie als Feind bezeichnen, tappen wir in die Falle, vor der wir bereits gewarnt haben, nämlich Symptome mit Ursachen zu verwechseln. Alle diese Gefahren sind durch menschliches Handeln verursacht und können nur durch veränderte Einstellungen und Verhaltensweisen überwunden werden. Der wahre Feind ist also die Menschheit selbst. [Herv. d. Verf.] (King/Schneider 1991, 115)
Auch wenn solch hysterische Propaganda bezogen auf die Sachgrundlagen in vielen Fällen geradezu absurd erscheint, ist sie dennoch in der Lage, eine hochgradig menschenfeindliche Diskursformation zu erschaffen, welche die etwa von Malthus oder Russell formulierten Ziele des Bevölkerungsmanagements bis hin zur Verkleinerung der Herde äußerst effektiv unterstützt. Ein eindrückliches Beispiel hierfür liefert eine Buchbesprechung des Biologen David Graber, der immerhin selbst Vater ist, von Bill McKibbens The End Of Nature in der Los Angeles Times:
McKibben ist ein Biozentriker, und ich bin es auch. Uns interessiert nicht der Nutzen einer bestimmten Art, eines frei fließenden Flusses oder eines Ökosystems für die Menschheit. Sie haben einen intrinsischen Wert, größeren Wert – für mich – als ein weiterer menschlicher Körper oder eine Milliarde davon. Das menschliche Glück und ganz sicher die menschliche Fruchtbarkeit sind nicht so wichtig wie ein wilder und gesunder Planet. Ich kenne Sozialwissenschaftler, die mich daran erinnern, dass die Menschen Teil der Natur sind, aber das stimmt nicht. Irgendwann – vor etwa einer Milliarde Jahren, vielleicht der Hälfte davon – sind wir aus dem Vertrag ausgestiegen und zu einem Krebsgeschwür geworden. Wir sind zu einer Plage für uns selbst und für die Erde geworden.27 (LT01)
5.2 Von der Eugenik in den transhumanistischen Wahn
Betrachtet man die Bevölkerung einer Stadt, eines Landes oder der Erde nicht als eine Gruppe von Individuen, ausgestattet mit Menschenwürde und dem unveräußerlichen Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe an der Gesellschaft, sondern als eine Herde – gewissermaßen als Verfügungsmasse, über die je nach Gusto der Philosoph, der Intellektuelle, der Experte, die Partei oder der Staat Gewalt hat –, so stellt sich neben der oben behandelten Frage nach der richtigen Größe der Herde auch die Frage nach der Verbesserung ihrer Qualität. Wie wir gesehen haben, hat bereits Platon dem Problem der Menschenzucht bei der Einrichtung seiner gerechten Stadt einen hohen Stellenwert eingeräumt. In der Neuzeit sind bemerkenswerterweise auch für dieses Thema Malthus’ Schriften eine wichtige Station, diesmal als Anregung für einen anderen Theoretiker des Britischen Weltreichs: Charles Darwin. Dieser schreibt 1876 in seiner Autobiografie:
Im Oktober 1838 [...] las ich zufällig zum Vergnügen „Malthus über die Bevölkerung“, und da ich durch lange Beobachtung der Lebensgewohnheiten von Tieren und Pflanzen gut darauf vorbereitet war, den überall stattfindenden Kampf ums Dasein zu begreifen, fiel mir sofort auf, dass unter diesen Umständen günstige Varianten dazu neigen würden, erhalten zu bleiben, und ungünstige vernichtet werden. Die Folge davon wäre die Bildung neuer Arten. Hier hatte ich also endlich eine Theorie, nach der ich arbeiten konnte; (zit. n. Barlow 1958, 120)
Inspiration bezog Darwin nicht nur von Malthus, sondern auch von Russell Wallace und vor allem von seinem Cousin Francis Galton. Dieser hatte 1883 in seinem Werk Inquiries into Human Faculty and its Development den Ausdruck „Eugenik“ geprägt, 1904 in London das Eugenics Records Office am University College etabliert und in seinem letzten Lebensjahr eine eugenische utopische Novelle mit dem Titel Kantsaywhere verfasst (vgl. Gillham 2001, 98f.). Mit Verweis auf diese beiden Autoren als Grundlage seiner Ausführungen schreibt Darwin 1871 in The Descent of Man:
Bei den Wilden werden die körperlich oder geistig Schwachen bald eliminiert, und diejenigen, die überleben, weisen in der Regel einen kräftigen Gesundheitszustand auf. Wir zivilisierten Menschen dagegen tun unser Möglichstes, um den Ausscheidungsprozess zu stoppen; wir errichten Anstalten für Schwachsinnige, Krüppel und Kranke; wir führen Armengesetze ein; und unsere Mediziner setzen ihr ganzes Können ein, um das Leben eines jeden bis zum letzten Augenblick zu retten. [...] So vermehren die schwachen Mitglieder zivilisierter Gesellschaften ihre Art. Niemand, der sich mit der Zucht von Haustieren beschäftigt hat, wird bezweifeln, dass dies für die menschliche Rasse höchst schädlich sein muss. Es ist erstaunlich, wie schnell [...] falsch gelenkte Sorgfalt zur Entartung einer Haustierrasse führt; aber außer im Falle des Menschen selbst ist kaum jemand so unwissend, seine schlechtesten Tiere sich vermehren zu lassen. [Herv. d. Verf.] (Darwin 1871, 168)
Gustav Le Bon gibt aus affirmativer Perspektive in Psychologie des Sozialismus einen Überblick über die Wirkung eugenischer Ideen und der zitierten Darwin’schen Denkfigur auf den Elitendiskurs gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Als ein Beispiel von vielen kann Edmond Schérer, Theologe, Literaturkritiker und Sohn des Schweizer Bankiers Eugène Rodolphe Henri Schérer, dienen, der in La démocracie et la France schreibt:
Heute halten wir eine Vielzahl von Kreaturen am Leben, die die Natur verurteilt hat, verkümmerte Kinder, schwach, halbtot, und wir betrachten es als einen großen Sieg, ihre Tage so zu verlängern, und als einen großen Sieg, diese sehr moderne Besorgnis der Gesellschaft. (Schérer 1884, 81f.)
Le Bon selbst konkretisiert diese „Besorgnis“ folgendermaßen:
Die Gefahr der verkümmerten Degenerierten, Alkoholiker, Epileptiker, Wahnsinnigen usw. besteht darin, dass sie sich im Übermaß vermehren und eine Menge von Individuen hervorbringen, die zu unterlegen sind, um sich der Zivilisation anzupassen, und folglich ihre unvermeidlichen Feinde werden. (Le Bon, 2019 [1898], 282)
Aufgegriffen und popularisiert wurde die eugenische Ideologie auf Grundlage (sozial)darwinistischer Prinzipien wie bereits erwähnt auch vom intellektuellen Establishment des britischen Sozialismus. Hierzu gehörten neben anderen Beatrice und Sidney Webb, George Bernard Shaw, H.G. Wells, Harold Laski, John Maynard Keynes, Aldous und Julian Huxley, Charles Galton Darwin und auch Bertrand Russell. Damit hatten die eugenischen Ideen der britischen intellektuellen Elite einen erheblichen Einfluss auf die Sozialpolitik in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts und in den meisten westlichen Ländern wurden eugenische Gesellschaften gegründet. Wie weit die Anmaßung ging, zeigt eine Einlassung des englischen Schriftstellers D. H. Lawrence; er formuliert seine Vision im Jahr 1908 folgendermaßen:
Wenn es nach mir ginge, würde ich eine Tötungskammer bauen, die so groß ist wie der Kristallpalast, mit einer Militärkapelle, die leise spielt, und einem Kinematographen, der hell leuchtet; dann würde ich in die Seiten- und Hauptstraßen gehen und sie hineinbringen, alle die Kranken, die Zurückgebliebenen und die Verstümmelten; ich würde sie behutsam führen, und sie würden mir ein müdes Dankeschön zulächeln; und die Kapelle würde leise den „Halleluja-Chor“ spielen. (zit. n. Carey 1992, 12)
Motivation für solche Überlegungen war die Annahme, dass die von aufgeklärten Eliten zu errichtende Gesellschaft vom Ballast der körperlich, geistig oder moralisch Minderwertigen befreit werden müsste, wenn sie effizient funktionieren sollte. George Bernard Shaw bemerkt hierzu:
Der einzige grundlegende und mögliche Sozialismus ist die Vergesellschaftung der selektiven Züchtung des Menschen. (JF01)
Shaw, der Mitglied der Royal Society, der Eugenics Education Society, der Fabian Society, Nobelpreisträger und Autor des Gründungsprogramms der britischen Labour-Partei war, sieht hierfür wie Lawrence neben der Zucht auch das Mittel der Euthanasie vor und greift dabei die von ihm vorgestellte Tötungskammer auf:
Ein Teil der eugenischen Politik würde schließlich dazu führen, dass wir ausgiebig von der Tötungskammer Gebrauch machen. Sehr viele Menschen müssten aus dem Leben gerissen werden, einfach weil es die Zeit anderer Menschen verschwendet, sich um sie zu kümmern. (TC01)
Auch Julian Huxley, Vorsitzender der London Zoological Society, erster Generalsekretär der UNESCO und Bruder von Aldous, der seinerseits eng mit D. H. Lawrence befreundet und stark von ihm beeinflusst war (vgl. Vitoux 1974), teilt diese Auffassung. Er schreibt 1930:
Jeder fehlerhafte Mann, jede fehlerhafte Frau und jedes fehlerhafte Kind ist eine Last. Jeder Kranke ist ein zusätzlicher Körper, den die Nation ernähren und kleiden muss, der aber wenig oder gar nichts einbringt. (HE01)
Im Rahmen dieses Übersichtsartikels können die sich anschließenden zahlreichen Stationen eugenischer Ideologie und Praxis nur angedeutet werden, hierzu gehören u.a.: (i) die US-amerikanischen Eugenikgesetze in 32 Bundesstaaten (1907-1932), (ii) daraus folgende 70.000 Zwangssterilisationen, (iii) das eugenische Programm von Margaret Sanger und der in ,Planned Parenthood‘ umbenannten ,American Eugenics Society‘ von 1922, (iv) das nach amerikanischem Vorbild entworfene deutsche ,Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses‘ von 1933 sowie (v) der Horror der nationalsozialistischen ,Rassenhygiene‘.
Zwei Jahre nach dem Krieg entwirft Huxley, der ebenfalls ein glühender Verehrer von Darwin war (vgl. Huxley et al. 1958), zum Antritt seines UNESCO-Vorsitzes ein Manifest mit dem Titel UNESCO: Its Purpose and its Philosophy, in dem die wichtigsten Ziele der Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen festgehalten werden. Es war Huxley nicht entgangen, dass die Schrecken des eugenischen Programms der Nationalsozialisten zu einem PR-Problem geworden waren und er sah es als eine wichtige Aufgabe der UNESCO an, dieses Problem zu lösen:
Die Anpassung des Grundsatzes der demokratischen Gleichheit an die Tatsache der biologischen Ungleichheit ist eine große Aufgabe für die Welt, die immer dringlicher wird, je weiter wir bei der Verwirklichung der Chancengleichheit voranschreiten. [...] Gegenwärtig ist es wahrscheinlich, dass die indirekte Wirkung der Zivilisation eher dysgenisch als eugenisch ist; und in jedem Fall scheint es wahrscheinlich, dass der Ballast der genetischen Dummheit, der körperlichen Schwäche, der geistigen Instabilität und der Krankheitsanfälligkeit, die bereits in der menschlichen Spezies vorhanden sind, sich als zu große Last erweisen wird, um einen wirklichen Fortschritt zu erzielen. Auch wenn es stimmt, dass eine radikale eugenische Politik für viele Jahre politisch und psychologisch unmöglich sein wird, ist es für die UNESCO wichtig, dass das eugenische Problem mit größter Sorgfalt untersucht wird und dass die Öffentlichkeit über die auf dem Spiel stehenden Fragen informiert wird, damit vieles, was heute undenkbar ist, zumindest denkbar wird. (Huxley 1947, 21)
Um der Ideologie der Eugenik ein neues, massenkompatibles Image zu verschaffen, verpackte Huxely sie fortan als „evolutionären Humanismus“. Das leicht durchschaubare Ziel der Verwendung dieses Begriffs lag darin, das Bild einer „humanen“ Eugenik zu prägen, indem er sie mit den Menschenrechtsbewegungen nach dem Zweiten Weltkrieg assoziierte. In den 1950er Jahren definierte er die Eugenik als sozial fortschrittlich, indem er sie in die Logik der neuen Wohlfahrtsstaaten einpasste: Sie bot „Lösungen“ für Armut und Krankheit zu einer Zeit an, als die Ausrottung von Krankheiten die internationale Agenda bestimmte. Huxley verknüpfte die Eugenik zudem geschickt mit einer Reihe von Reformbewegungen wie der Popularisierung der Geburtenkontrolle und der Reform des Abtreibungsrechts (vgl. Weindling 2012, 481).28
1957 entwirft Huxley in New Bottles for New Wine schließlich den Begriff des ,Transhumanismus‘ als neues Etikett für ein altes Projekt,29 dessen Quintessenz er folgendermaßen auf den Punkt bringt:
Es ist, als ob der Mensch plötzlich zum Geschäftsführer des größten Unternehmens überhaupt ernannt worden wäre, des Unternehmens der Evolution. […] Er bestimmt in der Tat die zukünftige Richtung der Evolution auf dieser Erde. Das ist sein unausweichliches Schicksal, und je eher er das erkennt und daran zu glauben beginnt, desto besser für alle Beteiligten. […] Wir werden von neuen Prämissen ausgehen. Zum Beispiel […], dass die Qualität der Menschen, nicht die bloße Quantität, das Ziel sein muss, und dass deshalb eine konzertierte Politik erforderlich ist, um zu verhindern, dass die gegenwärtige Flut des Bevölkerungswachstums alle unsere Hoffnungen auf eine bessere Welt zunichte macht; (Huxley 1957, 13)
Am Beginn des neuen Jahrtausends ist diese adaptierte Ideologie des Transhumanismus, welche geniale und damit gottgleiche Ingenieure des Lebens zwingend voraussetzt, allgegenwärtig, wie Francis Fukuyama (2004, 42) bereits zu Beginn des neuen Jahrtausends konstatiert: „Eine Art Transhumanismus ist in einem Großteil der Forschungsagenda der heutigen Biomedizin implizit enthalten.“ So klärt etwa Policy Horizons Canada, 2021 darüber auf, welche Projekte der bio-digitalen Konvergenz die kanadische Regierung verfolgt und „how the convergence of digital technologies and biological systems is becoming a part of our future, and how it may impact our lives“ (PH01). In Forbes berichtet Sarwant Singh, Senior Partner des WEF und Mitglied des Global Agenda Councils, im Jahr 2017 über „Transhumanism And The Future Of Humanity: 7 Ways The World Will Change By 2030“. Er schreibt:
Unsere Visionary Innovation Group untersuchte drei grundlegende Säulen der Menschheit und wie sie sich in den kommenden 10-15 Jahren entwickeln werden: unser Körper, unser Denken und unser Verhalten. [...] Letztendlich war es unser Ziel, die Art und Weise zu bestimmen, wie sich der Wandel der Menschheit und der Transhumanismus auf den Einzelnen, die Gesellschaft, die Unternehmen und die Regierung auswirken werden. (FB01)
Und der israelische Historiker Yuval Noah Harari, festes Inventar der jährlichen Treffen der globalen Elite in Davos, fragt 2018 erwartungsvoll: „Will the future be human?“
Wir gehören wahrscheinlich zu den letzten Generationen des Homo sapiens. In ein oder zwei Jahrhunderten wird die Erde von Wesen beherrscht werden, die sich von uns mehr unterscheiden als wir uns von Neandertalern oder Schimpansen unterscheiden. Denn in den kommenden Generationen werden wir lernen, wie man Körper, Geist und Gehirne konstruiert. Dies werden die Hauptprodukte der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts sein. (YH01)
Die Frage nach alternativen Zukunftsentwürfen, parlamentarischer Kontrolle oder zumindest demokratischer Abstimmung über all diese Entwicklungen scheint sich niemandem zu stellen – die Sachzwänge sind offenbar erdrückend. Umso relevanter erscheint vor diesem Hintergrund Fukuyamas Warnung vor den Folgen dieser Entwicklung:
Hinter der Vorstellung von der Gleichheit der Rechte steht die Überzeugung, dass wir alle ein menschliches Wesen besitzen, dessen Bedeutung wichtiger ist, als die offensichtlichen Unterschiede in Hautfarbe, Schönheit und sogar Intelligenz. Dieses Wesen und die Ansicht, dass der Einzelne daher einen inhärenten Wert besitzt, ist das Herzstück des politischen Liberalismus. Doch die Veränderung dieses Wesens ist der Kern des transhumanistischen Projekts. Wenn wir beginnen, uns in etwas Überlegenes zu verwandeln, welche Rechte werden diese verbesserten Kreaturen dann beanspruchen und welche Rechte werden sie im Vergleich zu den Zurückgebliebenen besitzen? (Fukuyama 2004, 42)
6. Propaganda und Informationskontrolle im 20. und 21. Jahrhundert
Dass das bis hierhin dokumentierte Menschen- und Gesellschaftsbild der Elite sich auch in ihren Vorstellungen über Öffentlichkeit, Zugang zu Informationen und die Partizipation an politischen Entscheidungen niederschlägt, liegt auf der Hand. Auch hier lohnt sich zur Kontextualisierung der gegenwärtigen Krise der Öffentlichkeit ein Blick in die jüngere Ideengeschichte. Bereits mit den ersten Zeitungen des 17. Jahrhunderts, die Nachrichten „von Staats- und Gelehrtensachen“ einer breiten Bevölkerung zugänglich machten, wurde der Ruf nach Zensur laut und das Interesse des gemeinen Pöbels an politischen Zusammenhängen wurde polemisch bekämpft. Beispielhaft bringt dies im Jahr 1698 Balthasar Sinold genannt von Schütz, Theologe und Geheimrat des Grafen Christian August von Solms-Laubach, in Das Courieuse Caffee-Haus zu Venedig zum Ausdruck:
Ich muß [...] bekennen [...]/ daß die übermäßige Zeitungs=Begierde/ eine dermassen schädliche Kranckheit sey/ welche durch ihren Mißbrauch dem gemeinen Wesen viel Schaden bringet. [...] Es ist nichts gewöhnlicheres/ als daß die Bauern in der Schenke ein Collegium curiosum über die ordentlichen Post=Zeitungen halten/ und durch den capabelsten aus ihrem Mittel selbige buchstabiren lassen/ wenn man sie hernach [...] fragen solte/ was sie daraus verstanden/ so würde es in nichts anderem bestehen/ als daß sie Rom [...] oder andere Oerter nennen hören/ also/ daß es weit rathsamer vor sie gewesen wäre/ sie hätten [...] mit einer Holtz-Axt [...] an einem guten Eich Baume auf den Hieb gefochten/ als daß sie die edle Zeit mit solchen Dingen verderben/ die sich weit über den Gipfeln ihres Stroh=Daches erstrecken. (CV01)
Die gleichen Positionen finden sich bei den Architekten des modernen Propaganda-Apparates des 20. Jahrhundert wieder. Weder Revolutionen noch die Entstehung einer bürgerlichen Öffentlichkeit oder die formale Konstitution demokratisch verfasster Staaten konnten an dieser offenbar über Jahrtausende gleichbleibenden Haltung der intellektuellen Elite etwas ändern. In bemerkenswerter Offenheit geben dies etwa prominente Mitglieder des US-amerikanischen Committee on Public Information (CPI), das 1917 in einer gigantischen Propagandaaktion die amerikanische Bevölkerung vom Kriegseintritt überzeugte,30 zu Protokoll. Edward Bernays, Neffe von Sigmund Freud und Onkel von Marc Randolph, dem Gründer von Netflix, schreibt 1928 in Propaganda:
Die bewusste und intelligente Manipulation der Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element der demokratischen Gesellschaft. Diejenigen, die diesen unsichtbaren Mechanismus der Gesellschaft manipulieren, bilden eine unsichtbare Regierung, die die wahre herrschende Macht in unserem Land ist. […] Wenn wir den Mechanismus und die Motive des Gruppendenkens verstehen, wird es dann möglich sein, die Massen, ohne deren Wissen, nach unserem Willen zu kontrollieren und zu steuern? Die jüngste Praxis der Propaganda hat bewiesen, dass dies möglich ist, zumindest bis zu einem gewissen Punkt und innerhalb gewisser Grenzen. (Bernays 1928, 9)
Zur Legitimation dieser verdeckten antidemokratischen Regierungsform macht Walter Lippmann, ebenfalls Mitglied des CPI und Mitbegründer des Council on Foreign Relations, auf die von ihm angenommenen Gefahren eines unkontrollierten demokratischen Prozesses aufmerksam:
Eine falsche Idealisierung der Demokratie kann nur zu Desillusionierung und zu Tyrannei führen. [...] Die Öffentlichkeit muss in ihre Schranken gewiesen werden, damit sie im Rahmen ihrer Befugnisse handeln kann [... und] damit wir frei sind von dem Getrampel und dem Gebrüll der verwirrten Herde (Lippmann 1993 [1925], 145)
Die gezielte Verwendung von Propaganda zum Zweck der Steuerung der öffentlichen Meinung verändert nach Lippmann grundlegend, was in der Zukunft unter Demokratie zu verstehen ist:
In der Generation, die jetzt die Geschicke lenkt, ist die Persuasion zu einer selbstbewussten Kunst und zu einem regulären Organ der demokratischen Regierung geworden. [... D]as Wissen, wie man Zustimmung erzeugt, [wird] jedes politische Kalkül und jede politische Prämisse verändern. Unter dem Einfluss der Propaganda [...] sind die alten Konstanten unseres Denkens zu Variablen geworden. Es ist zum Beispiel nicht mehr möglich, an das ursprüngliche Dogma der Demokratie zu glauben; (Lippmann 1998 [1922], 248f.)
Fünfzehn Jahre später schreibt Harold Lasswell, der im Zweiten Weltkrieg Leiter der Abteilung für die „Study of War Time Communications“ in der Bibliothek des amerikanischen Kongresses war und 1955 das Amt des Präsidenten der American Political Science Association innehatte, in der Encyclopaedia of the Social Sciences den Eintrag zu ,Propaganda‘, dort heißt es:
Propaganda als bloßes Werkzeug ist nicht moralischer oder unmoralischer als ein Pumpengriff. Die moderne Welt ist in besonderem Maße auf sie angewiesen […] Die moderne Auffassung von sozialem Management ist zutiefst von der propagandistischen Einstellung geprägt. [Die] Rücksichtnahme auf die Menschen in der Masse beruht nicht auf demokratischen Dogmen, wonach die Menschen die besten Richter über ihre eigenen Interessen sind. Der moderne Propagandist erkennt ebenso wie der moderne Psychologe an, dass die Menschen ihre eigenen Interessen oft schlecht einschätzen können […] Die älteren demokratischen Lehren erlaubten es dem nominellen Führer, sich seiner Führungsaufgabe durch eine Art verfahrenstechnische Täuschung zu entziehen: Man nahm an, dass es „da draußen“ einen „allgemeinen Willen“ gab, und die Pflicht des Führers bestand darin, sorgfältig darauf zu achten, dass er sich durch die Maschinerie von Abstimmungen und legislativen Diskussionen manifestierte. Der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit wurde von der Verwaltung und der Reflexion auf den Hokuspokus verlagert [Der Propagandist hingegen] glaubt, dass eine der stärksten Ursachen für den sozialen Wandel die Problemeinstellung selbst ist, die so oft die Zielsymbole hervorbringt, die die Anpassung leiten können. Das bedeutet, dass der Propagandist in der Lage und bestrebt ist, die Methoden der wissenschaftlichen Beobachtung und Analyse auf die gesellschaftlichen Prozesse anzuwenden […]. (Lasswell 1937, 525-527)
Auch nach dem Krieg und den Erfahrungen mit dem Propagandaapparat der Nationalsozialisten ändert sich dieses Demokratieverständnis der Elite nicht. So urteilt etwa der britische Historiker Sir Lewis Namier, der im Propaganda- und Informationsministerium sowie in der Abteilung für politische Aufklärung des britischen Außenministeriums gearbeitet hatte, in seinem Werk England in the Age of the American Revolution in der zweiten Ausgabe von 1961:
Es gibt keinen freien Willen im Denken und Handeln der Massen, genauso wenig wie bei der Umlaufbahn der Planeten, den Wanderungen der Vögel und dem Sturz von Lemminghorden ins Meer. (Namier 1961, 40f.)
Der Kern der Botschaft ist klar: Würde man den Massen gestatten, auf wirksame Weise in die Arena der Entscheidungsfindung einzutreten, könnte das nur in einer Katstrophe enden. Zahllose Einlassungen dieser Art ziehen sich auch durch die folgenden Jahre bis in unsere Gegenwart. Exemplarisch sei hier nur eine zentrale Figur im Kontext der Einflussnahme auf Social Media-Plattformen durch die amerikanische Regierung, Richard Stengel, Mitarbeiter des Außenministeriums und Autor von Information War (2020), genannt. Bei einer Konferenz des bereits erwähnten Council on Foreign Relations zum Thema ,Combating Disinformation and Fake News‘ im Mai 2018 sagte er ohne einen Anflug von Ironie:
In meinem alten Job im Außenministerium war ich, wie die Leute dort scherzhaft sagten, Chefpropagandist [...] Ich habe nichts gegen Propaganda. Jedes Land macht Propaganda, man muss Propaganda für die eigene Bevölkerung machen. (RS01)
Wie – neben vielen anderen Beispielen – das sogenannte ,Panikpapier‘ des Bundesministeriums für Gesundheit oder die Publikationen des SPI-B, der ,Nudge Unit‘ der britischen Regierung, aus dem Jahr 2020 (vgl. Kaltwasser 2022, 100ff.) deutlich zeigen, bestimmt diese Haltung mittlerweile durchgehend die kommunikative Praxis demokratischer Regierungen.
Zum Abschluss soll der Wirtschaftspolitiker und Vorstandsvorsitzende der russischen Sberbank, Herman Gref, zu Wort kommen, der das in diesem Beitrag skizzierte Selbstverständnis der technokratischen Elite treffend formuliert. Beim International Economic Forum in Sankt Petersburg 2012 äußerte Gref, der ebenfalls Agenda Contributor und Mitglied im Stiftungsrat des WEF ist, im Rahmen einer Paneldiskussion mit dem vielsagenden Titel Wisdom of the Crowd or the Authoritarian Genius? als Reaktion auf einen Beitrag von Tim Kelsey, der bis Dezember 2020 Vorstand der australischen Digital Health Agency war:
Sie schlagen vor, die Macht – die tatsächliche Macht – in die Hände der Bevölkerung zu legen. Wenn jeder direkt am Management teilnehmen könnte, was würden wir dann managen? Wenn die Menschen erst einmal die Grundlagen ihrer Identität verstehen, wird es äußerst schwierig sein, sie zu beherrschen, das heißt: sie zu manipulieren. Die Menschen wollen nicht manipuliert werden, wenn sie über Wissen verfügen. [D]iese Einsicht [war] dreitausend Jahre lang geheimes Wissen, weil die Menschen verstanden, was es bedeutet, den Schleier von den Augen von Millionen von Menschen zu nehmen und sie unabhängig zu machen. Wie kann man sie dann noch beherrschen? Massenmanagement setzt ein Element der Manipulation voraus. Wie kann man eine Gesellschaft regieren, in der jeder den gleichen Zugang zu Informationen hat, in der jeder die Möglichkeit hat, die Informationen direkt zu beurteilen, Informationen zu erhalten, die nicht von staatlich ausgebildeten Analysten, Politologen und riesigen Maschinen, die sich auf die Köpfe der Menschen senken, präpariert werden – von Massenmedien, die „unabhängig“ sind, deren Aufgabe jedoch immer noch die Erhaltung von [gesellschaftlichen] Schichten ist? […] Ihr Vorschlag macht mir Angst und ich glaube, Sie verstehen nicht, was Sie da sagen. (HG01)
Dem ist nichts hinzuzufügen.
7. Fazit: Menschen- und Gesellschaftsbilder im Konflikt
Zu den Kernideen deliberativer Demokratie gehört, dass durch den universellen Zugang zu Informationen und den schrankenlosen Austausch von Argumenten Verständigung bis hin zum Kompromiss erzielt werden kann und so gefundene Lösungen den Ansprüchen der Vernunft in sachlicher und moralischer Hinsicht gerecht werden. Im Zentrum steht dabei das Legitimationsideal der öffentlichen Beratung politischer Fragen. Als Grundlage einer freien Gesellschaft, in welcher die Würde des Menschen im Mittelpunkt steht, sind diese Prinzipien unverzichtbar. Die expertokratische Gesellschaft steht zu diesem Ideal in scharfem Gegensatz, das Konzept reicht zurück bis in die Antike. In der Folge der Scientific Revolution der frühen Neuzeit und der Entwicklung einer materialistischen Philosophie hat sich diese Idee in das illiberale Projekt der Errichtung einer technokratisch organisierten Gesellschaft weiterentwickelt, in der das Individuum nurmehr zur Verfügungsmasse gehört. Diese Management-Ideologie wurde im 20. Jahrhundert zur gemeinsamen Basis unterschiedlicher, zum Teil in erbittertem Konflikt begriffener kollektivistischer Gesellschaftsentwürfe, zu denen in der Praxis auch die nominell liberalen Demokratien gehören. Ihr gemeinsamer Kern besteht in der Vorstellung, dass die Missstände in einer Gesellschaft nur von einer intellektuell überlegenen rationalen Elite identifiziert und durch eine bürokratisierte bzw. heute eine algorithmisierte Planung beseitigt werden können. Damit das jeweils anvisierte Gesellschaftssystem funktionieren kann, muss die Freiheit des Individuums beschnitten, wenn nicht ausgelöscht werden. Der diesen Entwürfen gemeinsame totalitäre Kern bildet – ebenfalls seit der Antike – einen harten Kontrast zu den Prinzipien einer wirklich liberalen, demokratisch organisierten Gesellschaft, in der die Freiheit des Individuums und das Prinzip der Selbstregierung im Zentrum stehen.
Ziel dieses Beitrags war, den breiten Strom experto- bzw. technokratischer Ideologie als totalitäre historische Konstante zu skizzieren. Andererseits sollte der Einfluss dieses Denkens auf Eliten gegenwärtiger demokratischer Gesellschaften verdeutlicht werden. In einer Analyse der Grundlagen der aktuellen Krise der Öffentlichkeit müssen m. E. diese Faktoren als primäre Hindernisse für die Demokratisierung der Öffentlichkeit und den Schutz der Würde des Einzelnen verstanden und berücksichtigt werden.
 
1
Patterson (2021) spricht in diesem Zusammenhang von einem gegenwärtigen „Dark Age“, einem dunklen Zeitalter, und konkretisiert dies folgendermaßen: „Innumerable ideas which are assumed to be rigorous are often embarrassingly wrong and utilize concepts that an intelligent teenager could recognize as dubious. […] Whether it’s the Copenhagen interpretation, Cantor’s diagonal argument, or modern medical practices, the story looks the same: shockingly bad ideas become orthodoxy, and once established, the social and psychological costs of questioning the orthodoxy are sufficiently high to dissuade most people from re-examination.“
 
2
Die Zwölf Artikel waren schon deshalb beeindruckend, weil sie in einer für die Zeit gigantischen Auflage von 25.000 gedruckt und im Gebiet des Heiligen Römischen Reiches verbreitet wurden.
 
3
Für eine Diskussion weiterer Belegstellen, die diese Deutung stützen vgl. Bostridge 1997, 38ff.
 
4
Mit den hinlänglich bekannten Einschränkungen: Frauen, Sklaven und Metöken besaßen nicht die gleichen politischen Rechte wie athenische Männer. Diese Einschränkungen sind in emanzipatorischer wie in menschenrechtlicher Hinsicht sicher relevant, der Kern der demokratischen Idee und ihr prinzipieller Gegensatz zu einer expertokratischen Gesellschaftsarchitektur ist dennoch klar erkennbar.
 
5
Die Bundeszentrale für politische Bildung weist in ihrer Einführung in das politische System der BRD etwa darauf hin, dass „[d]ie Demokratie [...] vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern [lebt], sie sind die Basis der Staatsgewalt. In Wahlen und Bürgerentscheiden, durch gesellschaftliches und politisches Engagement, und durch ihr Interesse für die diskutierten Themen legen sie die Grundlage für einen funktionierenden Staat.“ (BP02)
 
6
Vgl. Hierzu etwa SDG 12.2 der Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen („Material footprint per capita“) oder die Prinzipen der Technocracy Inc.-Bewegung: „Technocracy finds that the production and distributions of physical wealth on a global scale for the use of all citizens can be accomplished only by an accounting of technology – a holarchial style of governance of efficiency and function; A technate.“ (TI01)
 
7
Die Folgen der Negation metaphysischen oder spirituellen Wissens und der daraus resultierenden Entwick-lung des wissenschaftlichen Humanismus charakterisiert Sherrard (2007 [1976], 73) treffend, wenn er schreibt: „Nothing belongs any longer to the sphere of the gods or to the sphere of the supernatural. There is nothing and nowhere which must not be investigated and if possible exploited. Neither the ocean bed nor the stars can escape. Nor—so long as they can be shown to be efficient in the sense of being the best and most effective means for achieving a certain measurable purpose—can these systematic invasions be stopped or re-pudiated. If efficient technical means for achieving something exist or can be produced, then these means must be put into action irrespective of what this thing is or of what the cost may be in human terms.“
 
8
Auf die Frage „What Is Technocracy?“ antwortet das von Technocracy Inc. herausgegebene Magazin The Technocrat (1937): „Technocracy is the science of social engineering, the scientific operation of the entire so-cial mechanism to produce and distribute goods and services to the entire population of this continent. For the first time in human history, it will be done as a scientific, technical engineering problem.“ (TT01)
 
9
Das Absehen von solchen Erwägungen gehört ohnedies zu zum Kernbestand materialistischen Denkens, wie Lenin in Materialismus und Empiriokritizismus schreibt: „Der Materialismus betrachtet in vollem Einklang mit der Naturwissenschaft als das ursprünglich gegebene die Materie, als das Sekundäre – Bewußtsein, Den-ken, Empfindung.“ (1975 [1908], 37)
 
10
Vgl. Pearce 2015, 446.
 
11
Der transitorische Charakter dieser verliehenen gesellschaftlichen Macht nimmt in gewisser Weise die spätere marxistische Idee von der magischen Auflösung des Staates im Endstadium des Kommunismus vorweg. Engels schreibt hierzu 1878 im Anti-Dühring (3. Abschnitt, „Theoretisches“): „Der erste Akt, worin der Staat wirklich als Repräsentant der ganzen Gesellschaft auftritt – die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft – ist zugleich sein letzter selbständiger Akt als Staat. Das Eingreifen einer Staatsge-walt in gesellschaftliche Verhältnisse wird auf einem Gebiete nach dem andern überflüssig und schläft dann von selbst ein. An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht ,abgeschafft‘, er stirbt ab.“ Bekanntermaßen ist es zu diesem Absterben niemals gekommen.
 
12
Im Zusammenhang mit den hier diskutierten Ideen beobachtet MacIver (1922, 241): „Much of his writing on this point has what we would now call a true Marxian ring about it and it becomes obvious where Marx found some, at least, of his inspiration. Further, we could almost say that the idea of a government of experts specially concerned with economic questions could be considered as a forerunner of the present Soviet system such as is aimed at in Russia, with its crude beginnings in the Paris Commune […]“
 
13
Vgl. die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness.“ (DI01) Darauf direkt Bezug nehmend mahnt Lincoln in seiner Gettysburg Address von 1863: „[G]overnment of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth.“
 
14
Ein solches Liberalismusverständnis harmoniert dafür umso mehr mit der gegenwärtigen Geringschätzung sämtlicher Erscheinungsformen des sogenannten ,Populismus‘.
 
15
Dieses Prinzip wurde, suggestiv verklammert mit seiner ostentativen Verankerung in rationalem Denken, u.a. in dem Star Trek-Film The Wrath of Khan (1982) durch die Figur des Spock popularisiert, der sich in einer ikonischen Szene für die Besatzung der Enterprise opfert mit den Worten: „Logic clearly dictates that the needs of the many outweigh the needs of the few“, worauf Captain Kirk antwortet: „Or the one.“ Der Fairness halber muss erwähnt werden, dass im darauffolgenden Film The Search for Spock (1984) dieses Prinzip im Kontext von Spocks Rettung umgekehrt wird. Dennoch wird die Umkehrung konsequent als irrational ge-kennzeichnet („Humans are sometimes illogical“).
 
16
Im Vorwort dieser Ausgabe heißt zu seiner Untersuchung nationalsozialistischer Ideologie: „Ich beobachtete, dass eine bestimmte Art von totalistischer Ideologie – eine biologisierte Sicht der Gesellschaft oder, wie ich es nannte, eine ,biomedizinische Vision‘ – zusammen mit den sie begleitenden Institutionen ganz normale Menschen zu mörderischen Handlungen bewegen kann.“
 
17
Diese Aversion der Eliten gegen das ,Gewähren‘ von Freiheiten, die als eine historische Konstante erscheint, beschreibt Benda in Vorwort zur Neuauflage von Der Verrat der Intellektuellen (1978 [1946], 14f.): „Im übrigen lässt sich nicht leugnen, daß Demokratie gerade kraft ihres Oktroi der individuellen Freiheit ein Moment von Unordnung impliziert. ,Wenn Sie in einem Staat‘ schrieb Montesquieu, ,keinen Lärm von Streitigkeiten vernehmen, so können Sie sicher sein, daß es in ihm keine Freiheit gibt.‘ [...] Im Gegensatz dazu gewährt der ,Ordnungsstaat‘, eben weil er auf ,Ordnung‘ aus ist, den Individuen keinerlei Rechte – allenfalls denen einer Klasse. Er kann sich nichts anderes vorstellen als Verhältnisse, in denen die einen befehlen und die anderen gehorchen.“
 
18
Dies wirft die Frage auf, was mit jenen geschehen soll, die weder über Verstandes- noch über Körperkraft verfügen.
 
19
Mit malinformation werden wahre aber ,potenziell schädliche‘ Informationen bezeichnet (als aktuelles Beispiel für Zensur von malinformation vgl. Michael Shellenbergers Zeugenaussage über die staatlich angeleitete Zensur von Beiträgen zu Impfnebenwirkungen vor dem House Select Committee on the Weaponization of the Federal Government (MS01, 44)), vgl. auch Broecker (2024).
 
20
Die Teilnahme am Treffen des Weltwirtschaftsforums in Davos kostete 2023 pro Ticket 19.000 US-Dollar, setzt aber eine Mitgliedschaft (52.000 US-Dollar pro Jahr) voraus. Teilnahme an Sitzungen hinter verschlossenen Türen erfordern den Status des Industry Associate (137.000 US-Dollar pro Woche, YF01). Die Teilnahme an Bilderberg-Konferenzen kann gar nicht erkauft werden, sie setzt auch für Journalisten eine persönliche Einladung und die Einhaltung der Chatham House–Regeln zwingend voraus. (CH01)
 
21
Popper analysiert das Platonische Staatsprojekt u.a. deshalb als Versuch der Abkehr von der neu entstandenen offenen (demokratischen) Gesellschaft und als Versuch der Restauration einer geschlossenen Gemeinschaft, in der Status und Rolle in der Gesellschaft fixiert sind (vgl. Popper 1957, 343ff.); für eine Diskussion der Bedeutung dieser Platonischen Ideen für das Management der Unternehmenskultur vgl. Shaw (2021).
 
22
Hier erhalten wir auch eine naheliegende Antwort auf die weiter oben gestellte Frage, was mit jenen geschehen soll, die weder über Verstandes- noch über Körperkraft verfügen: Man lässt sie sterben.
 
23
Die Erziehung der Kinder durch den Staat ist eine bemerkenswert stabile Idee, vgl. etwa das Manifest der Kommunistischen Partei, II.
 
24
Der Führungsanspruch, der sich aus dieser Klassenzugehörigkeit ergibt, wird in heutiger Zeit verkörpert durch Figuren wie NIAID-Direktor Anthony Fauci, wenn er von sich selbst sagt: „It’s easy to criticize me, but they’re really criticizing science because I represent science. That’s dangerous.“ (PC01)
 
25
Zu den Autoren einer späteren Auflage des Werks von 1978, nun mit dem neuen Titel Ecoscience, gehört auch John Holdren, unter US-Präsident Barack Obama von 2009 bis 2017 Berater für Wissenschaft und Technologie.
 
26
Hier wird bereits die sich abzeichnende Umdeutung des Solidaritätsbegriffs erkennbar, die im Kontext der „Corona-Krise“ als Werkzeug der Verhaltensökonomie eine wichtige Rolle spielte.
 
27
Die ganze Korruption deterministischen Denkens spiegelt sich interessanterweise in einer Replik auf Grabers Rezension in einer der folgenden Ausgaben, in der es heißt: „If we are a cancer, as Graber says, it is a natural cancer, one that was programmed into Earth’s genetic system from the beginning and is now being triggered – 5 billion cells and escalating. We aren’t responsible. The Creator is. We’re just following orders, just executing the game plan.“
 
28
Noch ein kurzes Stück jüngerer Geschichte kann illustrieren, wie verbreitet eugenische Ideen in demokratisch regierten Staaten sind: Bis 1976 wurden im sozialdemokratischen Schweden etwa 63.000 Frauen vom Staat sterilisiert, der eigens ein „staatliches Institut für Rassenhygiene“ eingerichtet hatte. In Norwegen waren es 40.000, in Dänemark 6.000. Teenager im Alter von 15 Jahren wurden sterilisiert, einige ohne die Zustimmung ihrer Eltern, wegen so banaler Unzulänglichkeiten wie Kurzsichtigkeit oder weil sie angeblich kein Urteilsvermögen oder „keine erkennbare Vorstellung von Ethik“ hatten (vgl. JF01).
 
29
Die Praxis der Umetikettierung zum Zweck der Tarnung ist auch im akademischen Arm der Eugenikbewegung nachweisbar, etwa wenn das Journal The Eugenics Review (1908-1968) aus dem Galton Institute 1969 seine Ausgabennummerierung zurücksetzt und fortan unter dem Namen Journal of Biosocial Science im renommierten Cambridge University Press Verlag erscheint.
 
30
US-Präsident Wilson war 1914 mit dem Wahlkampfversprechen gewählt worden, die USA nicht in den 1. Weltkrieg zu involvieren. Die amerikanische Öffentlichkeit lehnte eine Intervention zu diesem Zeitpunkt vehement ab.
 
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Kritische Gesellschaftsforschung
Ausgabe #01, Juli 2022
ISSN: 2751-8922
In dieser Ausgabe:
Hannah Broecker
Vorwort zur ersten Ausgabe
Jochen Kirchhoff
Erkenntnis und Wahn. Das Problem der Wissenschaft in der Weltkrise
Hannah Broecker
Demokratie, Technokratie und die politische Philosophie der Zukunft
Mark Neocleous
Immunität: Sicherheit; Sicherheit: Immunität... ad infinitum.
Christina Gansel
Angstkommunikation in der Corona-Pandemie: Zum Muster einer sprachlich-kommunikativen Praktik
Adam Szymanski
Die Ungeimpften als Sündenbock: Eine Medienanalyse der politischen Propaganda während der COVID-19-Pandemie
Armin Triebel
Die Destabilisierung von Demokratien. Eine Diskursanalyse
Michael Meyen
Warum die Kommunikations­wissenschaft einen Neustart braucht
Dennis Kaltwasser
Vernunft und Hybris: Rationalistisches Gesellschaftsmanagement als ideologisch-historische Konstante
 
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